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Unpünktlichkeit

Die andere Seite von Unpünktlichkeit – Ursachen und Gründe chronischen Zuspätkommens

Wer viel und oft mit Menschen zu tun hat, steht auch automatisch immer dem Thema Pünktlichkeit gegenüber.

Ich selbst bin ein sehr pünktlicher Mensch. Schon einfach aus dem Grund, weil ich mit meiner zeitlichen Strukturierung auch in die Lebenszeit anderer Menschen eingreife, ich ihnen meine Wertschätzung entgegenbringen möchte, dass sie Zeit mit mir verbringen und mir unangenehm wäre, wenn jemand auf mich warten muss. Ob das anerzogen ist oder es meine eigenen Werte widerspiegeln oder gar eine Schnittmenge aus beidem ist, vermag ich nicht zu sagen. 

Doch wenn ich selbst ein pünktlicher Mensch bin, bin ich gleichzeitig jedoch schnell mit der Unpünktlichkeit anderer konfrontiert, was auch mir in meinem Leben schon den einen oder anderen Frust eingebracht hat. Damals, zu Beginn meiner zwanziger Jahre, hat mich das Warten auf andere enorm viel Nerven gekostet. Ich stand dann am vereinbarten Treffpunkt. Und stand. Und stand. Und stand. Und stand.

Warten, warten, warten..

Die Krönung meiner mit Warten auf andere (unpünktliche) Menschen verbrachte Zeit war ein Treffen mit einem Freund, mit dem ich 16 Uhr verabredet war. Also war ich damals – natürlich pünktlich – am vereinbarten Treffpunkt. Es war kalt und windig. Damals, man kann es sich heute kaum mehr vorstellen, war die Sache mit den Handys noch nicht so ausgereift. UnpünktlichkeitAuch wenn wir bereits über derartige Geräte verfügten (noch mit kleiner Antenne und winzigem grünen Display), so war doch deren Präsenz in unserem Alltag noch eine ganz andere. Während man sich heute oft nur grob und eine ungefähre bis halbwegs genaue Zeit ausmacht, um dann nicht selten kurz vorher nochmal zu schreiben, dass man sich jetzt auf den Weg macht und in soundsoviel Minuten da sein wird, war damals noch ganz konkretes Verabreden angesagt, wie ich das auch aus Zeiten kenne als es noch nicht einmal Telefone in Wohnungen von Privatpersonen gab. Es gab also eine Zeit, die stand, und zu der war man dann vor Ort. Oder eben auch nicht. Zumindest nicht pünktlich.

Wir waren also 16 Uhr verabredet, ich stand in der herbstlichen Ungemütlichkeit im dunkler werdenden Tag draußen herum, der Wind zerrte an mir und als gegen 17 Uhr mein Nokia-Handy seinen uns allen noch so bekannten Doppel-Piepton für eine eintreffende SMS von sich gab, hieß es von meinem Gegenüber: „Ich verspäte mich etwas.“ 

Ach, na guck einer an. Da musste demjenigen ja völlig entgangen sein, was eine Stunde ausmachen kann. Und nein, er hatte sich nicht in der Zeit vertan, sondern lediglich zwischendurch gedacht „Fuck, das schaffe ich schon. Das schaffe ich schon. Das schaffe ich schon. Verdammt, ich schaffe es nicht. Schon eine Stunde drüber. Da sage ich nun doch mal lieber Bescheid.“

Unpünktlichkeit bedeutet Stress – für alle Beteiligten

Ich war regelmäßig erbost über Freunde und Bekannte, die sich quasi darauf verlassen konnten, dass ich pünktlich war, ihrerseits aber durchaus anscheinend bereit waren mit meiner mir doch so wichtigen Lebenszeit zu spielen und sich bei Verabredungen Zeit ließen. Ich konnte damit leben, wenn ich daheim war und nebenbei noch ein paar Dingen nachgehen konnte. Da fällt kaum ins Gewicht, wenn jemand etwas später eintrudelt. Heute, wo viele von uns ebenfalls Kinder haben, hat es sich etabliert, dass man es so einrichtet, dass niemand unnötig wartet, man aber dennoch eine Toleranzzeit von manchmal bis zu einer Stunde einplant. „Mal sehen, wie Mathilda vom Mittagsschlaf aufwacht. Da sind wir dann so zwischen 14 und 15 Uhr bei Euch.“ Wer kennt es nicht. Das ist alles kein Ding, doch wenn man sich draußen irgendwo trifft und dazu auch das Wetter noch ungemütlich ist, man noch mehr Dinge an dem Tag geplant hat, die Zeit nach hinten raus knapp werden könnte oder Unpünktlichkeit in Zusammenhängen stattfindet, in der ein pünktliches Erscheinen wichtig und wirklich wünschenswert wäre, ist es nervenaufreibend und sorgt natürlich für inneren Stress, Unruhe und Anspannung. Auch bei dem, der eigentlich pünktlich ist.

Durch meinen Job als Lehrkraft in einer Berufsfachschule bin ich regelmäßig – ach, im Grunde täglich – mit dem Zuspätkommen anderer Menschen konfrontiert. Und Schüler kommen natürlich nicht nur zur ersten Stunde zu spät. Selbst wenn sie regulär erst zur dritten Stunde ihren Unterricht beginnen, kommen sie zu spät. Und es sind immer dieselben. Niemand macht großes Aufsehen, wenn mal jemand zu spät kommt, für den das sonst völlig untypisch ist. Der- bzw. diejenige muss sich eigentlich noch nicht einmal verbal entschuldigen, weil ihm/ihr allein schon beim Eintreten in den Raum ins Gesicht geschrieben steht, wie unangenehm es ihm/ihr ist. 

Doch was steckt eigentlich hinter dem ständigen und chronischen Zuspätkommen? Warum kommen diejenigen, die immer zu spät kommen, immer dieselbe Anzahl von Minuten zu spät?

Zeit als subjektive Angabe

Zeit bedeutet für jeden von uns etwas anderes. Jeder nimmt Zeit anders war. Und für jeden von uns vergeht Zeit immer nur ausgehend von unserer eigenen Situation in diesem jetzigen Moment. Habe ich also beispielsweise eine Prüfung vor mir und noch viel zu lernen, bin vielleicht sogar mit Prüfungsangst gebeutelt, wird mir die Zeit bis zur Prüfung immer zu kurz erscheinen. Die Zeit zum Lernen wird mir nie genug sein, die Zeit scheint nur so zu rasen, ich höre sogar im stillen Raum den Sekundenzeiger ticken, der mir signalisiert, wie rasant die Zeit verstreicht, während ich hier aufs Papier starre und versuche mir einzuprägen, was ich für die Prüfung wissen muss. 

Andererseits kann es auch passieren, dass ich mich auf ein Treffen mit einem besonderen Menschen freue, diesem Unpünktlichkeitregelrecht entgegenfiebere und dadurch den Eindruck gewinne, dass die Zeit überhaupt nicht vergeht. Ganz im Gegenteil. Sie zerrt sich wie alter Kaugummi. Man hat schon gefühlt tausend Mal ungläubig auf die Uhr gestarrt und obwohl man das Gefühl hat zwischendurch hunderte kleine Dinge getan zu haben, sind erst wenige Minuten vergangen. Jeder, der schon einmal frisch verliebt war, kennt diese zähen Stunden bis zum Wiedersehen sicherlich bestens. 

Auch unsere aktuellen Lebensumständen und unser Alter können unser Zeitempfinden verändern. Dachte ich als junger Mensch über Zeit im größeren Rahmen gar nicht weiter nach und die Zeit verging, wie sie eben verging, so machten meine Großeltern doch immer Bemerkungen darüber, wie groß ich denn schon wieder geworden sei, wie sehr ich mich verändert habe und wie schnell doch die Zeit vergehe. Damals war das immer Grund die Augen zu verdrehen und einen angestrengten Schnaufer hören zu lassen mit dem Stoßgebet meine eigenen Enkelkindern in ferner Zukunft einmal nicht mit derartigen Unwichtigkeiten zu langweilen. Heute weiß ich mit meinem eigenem Kind, was meine Großeltern meinten. Und das weit vor der Zeit selbst Enkelkinder zu haben. Seit ich Mutter bin, hat sich mein Empfinden für die Zeit drastisch verändert. Und seit mein Kind die Schule besucht und wir nun gemeinsam quasi von Schuljahr zu Schuljahr leben – er als Schüler, ich als Lehrkraft – fliegt die Zeit nur so dahin. 

Der Tag scheint heute keine 24 Stunden mehr zu besitzen, so schnell vergeht für mich manchmal die Zeit. Gern würde ich zwischendurch ab und an das Premium-Paket meines Lebens erwerben und an so manchem Tag für 3,99€ im Monat täglich noch 4 Stunden dazubuchen. Doch trotz aller Digitalisierung unserer Welt ist das noch nicht im Rahmen unserer Möglichkeiten. Und das ist gut so. Und so vergehen die Tage, Wochen, Monate und Jahre.

Auch Glück, Erfolg, Leid, Unbehagen oder Schmerz können unser Zeitempfinden verändern. Ebenso wie Aktivität oder Langeweile. Und jeder von uns lebt in seinem eigenen zeitlichen Universum. Die Wahrnehmung von Zeit ist daher immer objektiv und an das persönliche Empfinden jedes Einzelnen von uns geknüpft.

Unpünktlichkeit ist keine böse Absicht

Wir können davon ausgehen, dass Unpünktlichkeit keine böswillige Absicht ist. Niemand ist unpünktlich, um dem Anderen weh zu tun oder ihm eins auszuwischen. Nicht selten sind die notorischen Zuspätkommer sogar selbst bemüht das Zuspätkommen zu ändern, doch sie bekommen es nicht in den Griff. Ähnlich wie sich Raucher das Rauchen abgewöhnen oder Menschen ihre Ernährung umstellen wollen, nehmen sie sich das Pünktlichsein jeden Tag aufs Neue vor, doch gelingt ihnen die Umsetzung einfach nicht. 

Hier liegt das Phänomen nicht nur an einem mangelnden Zeitmanagement, eine schlechten Organisation des eigenen Lebens und auch nicht ausschließlich in einer zu geringen Bändigung des inneren Schweinehunds. Die Gründe für die chronische Unpünktlichkeit reicht bis in die unbewussten Ebenen unseres Selbst.

Hier lohnt sich die Frage an die betroffenen Zuspätkommer: Was also habe ich von meiner Unpünktlichkeit?  

Welche Ursachen kann Zuspätkommen also haben?

Dabei ist bemerkenswert, wie pünktlich zu spät viele Zuspätkommer kommen. Es gibt Menschen, die immer dieselbe Anzahl von Minuten zu spät kommen. Die akademische Viertelstunde?! Sie sind also eigentlich pünktlich in ihrer eigenen Unpünktlichkeit. Was für ein Paradox. 

Wer ständig zu spät kommt, kämpft mit einem inneren Konflikt, das zu spät Erscheinen zu einem Termin hat also für diese Person eine wichtige Funktion. 

Selbstbestimmung und Autonomie

Unpünktlichkeit kann als Rebellion und Aufbegehren verstanden werden. Der Mensch, der ständig unpünktlich ist, möchte sich vielleicht nichts aufpressen lassen, möchte nicht bevormundet werden, wann er zu einem Termin oder einer Verabredung zu erscheinen hat. Er hat Probleme mit der strengen Struktur einer Verabredung auch dann, wenn er sie selbst getroffen und an der Wahl der Zeit selbst beteiligt war. 

Aufmerksamkeit

Bei ständigem Zuspätkommen kann es jedoch auch um Aufmerksamkeit gehen. Wenn  sich beispielsweise alle pünktlich treffen und sich sofort dort vor Ort am Treffpunkt herzlich begrüßen, umarmen, ersten Smalltalk austauschen, geht der Einzelne etwas unter. Menschen mit narzistischen Tendenzen kann das zuwider sein. Sie bekommen in solchen Augenblicken nicht die Würdigung und Aufmerksamkeit, die sie sich wünschen.

Haben sich allerdings nach einer ersten überschwenglichen Begrüßung die Gemüter etwas abgekühlt, man setzt sich in eine Lokalität, bestellt schon mal ein paar Getränke und vertieft sich miteinander mehr und mehr in den Austausch in der Gruppe und es wird gemütlicher, kann das für den einen oder anderen der richtige Moment für seinen Auftritt sein. Er kommt, alle Augen sind auf ihm, er allein steht nun im Mittelpunkt, ihm allein gehört jetzt alle Aufmerksamkeit und er bekommt die Bühne, die er zu brauchen scheint.

Mein Beruf ist ein gutes Beispiel: Es sind immer wieder dieselben Schüler, die zu spät kommen. Sie würden es nicht tun, wäre ihnen die Situation, die entsteht, wenn sie in den laufenden Unterricht hineinkommen und vielleicht sogar für eine Unterbrechung sorgen, zu unangenehm wäre. Dennoch kommen sie mit einer Konsequenz zu spät, die beinahe bewundernswert ist.

Keine Lust auf die Verabredung bzw. den Termin

Auch wenn Du den Termin selbst ausgemacht hast, ist es möglich, dass Du in dem Augenblick, in dem Du losgehen solltest, keine Lust hast. Auch hier liegt eine Art Aufbegehren vor. Statt ehrlich zu sein und abzusagen, wird der Verabredungspartner sozusagen damit bestraft, dass er warten muss, und zwar dafür, dass Du keine Lust hast Dich mit ihm zu treffen. 

Was nicht heißen soll, dass Du denjenigen generell nicht magst oder das Treffen dann, wenn es denn nach Deinem verspäteten Ankommen endlich in Gang gekommen ist, nicht auch genießen und als angenehm empfinden kannst.

Unpünktlichkeit als Vermeidungsstrategie und Aufschiebetaktik

So kann der Hang zur Unpünktlichkeit auch der Versuch sein, Dingen zu entkommen, ohne diesen Drang konsequent zu verfolgen. Das Gefühl der Verantwortung ist dennoch weiterhin vorhanden, weswegen das Treffen, der Termin oder die Verabredung dennoch wahrgenommen wird, aber eben zu den zeitlichen Bedingungen desjenigen, der zu spät am vereinbarten Treffpunkt ist. Er hat damit das Gefühl Zeit geschunden zu haben, ohne dass dies tatsächlich der Realität entspricht, denn logischerweise hat er in diesen paar Minuten nichts schaffen können, was er nicht zuvor auch schon geschafft hat.

Pünktlichkeit – ein gesellschaftliches Problem?

Andererseits ist Pünktlichkeit in unserer Gesellschaft so eine Sache.

Vor einiger Zeit habe ich mich mit einer Frau mit türkischen Wurzeln unterhalten, die trotz allem beinahe ihr ganzes Leben schon in Deutschland lebt. Sie selbst sagt von sich, sie ist Deutsch-Türkin und lebt zwischen zwei Kulturen, das bedeutet für sie, sie lebt beide, gehört aber dennoch zu keiner so richtig. Ich fragte sie, was aus ihrer Sicht heraus typisch deutsch ist und sie antwortete lachend „Pünktlichkeit!“. Und wie oft hört man diese Aussage, wenn man Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund diese Frage stellt.

Eine ähnliche Erfahrung habe ich auf Teneriffa machen dürfen. Dort wollten wir nachmittags noch etwas Obst aus dem Supermarkt besorgen, der laut Schild an der Tür 17 Uhr nach der Siesta wieder öffnen sollte. Er öffnete jedoch erst 20 Minuten später. Doch schien das dort niemanden zu stören und die Menschen, die vorm Markt warteten, schienen sich auch nicht zu wundern. Es war also scheinbar kein Einzelfall, dass der Laden später öffnete als vorgegeben. Statt sich aufzuregen, standen die Menschen draußen in der spätnachmittäglichen Sonne und unterhielten sich angeregt, tauschten News und und werteten Klatsch aus. Niemanden schien das zu stressen, keiner hatte Hektik oder war erbost.

Es war eine grandios entspannende Erfahrung für das eigene Nervenkostüm.

In Deutschland hätte solch eine Begebenheit schon wieder Stress bedeutet. Die Leute, die vor dem Geschäft gewartet hätten, wären wahrscheinlich unruhig geworden, hätten sich beschwert, wären weggegangen, hätten ihrem Unmut Luft gemacht und darüber geschimpft, dass sie nun nachfolgende Termine verschieben müssten und so weiter. Davon gab es auf Teneriffa nicht einmal einen Hauch. 

Da wir es hier in unserer Gesellschaft mit der Pünktlichkeit so extrem genau nehmen, ist ein Zuspätkommen auch nicht sehr unwahrscheinlich. 

Zu spät – eine subjektive Einschätzung

Also entweder man ist zu früh da, was noch am ehesten als Tugend angesehen wird und hierzulande – logischerweise – mehr toleriert wird als das Zuspätkommen, was aber auch keinen Sinn macht, denn dann kommt der Überpünktliche ja zu früh und wartet dann wahrscheinlich genau die Zeit (vorausgesetzt der Gegenüber erscheint ebenfalls pünktlich), die er auch warten würde, würde er pünktlich zur vereinbarten Zeit am Treffpunkt erscheinen und der Andere käme zu spät. 

Ein vertracktes Katz-und-Maus-Spiel, bei dem einer immer frustriert ist und einer immer angehetzt kommt und im besten Falle (nach unseren gesellschaftlichen Vorstellungen) ein schlechtes Gewissen hat.

Und wie wahrscheinlich ist schon, dass beide (oder vielleicht gar mehrere) Personen haargenau pünktlich auf die Minute sind? Gerade wenn alle unterschiedliche Strecken mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln nehmen und unterwegs mit unterschiedlichen Vorkommnissen konfrontiert sind? Von dem natürlich abgesehen, was wir oben bereits besprochen haben, was für jeden individuell noch mal innere Gründe sein können, nicht pünktlich am Zielort zu erscheinen. Andererseits fällt bei einer Verabredung zwischen mehrere Personen weniger auf, wenn Einzelne zu spät dran sind.

Unpünktlichkeit und das digitale Zeitalter

Die zunehmende Digitalisierung unseres Lebens verändert unsere Kommunikation und unseren Umgang miteinander. Letztlich auch unser Verabredungsverhalten. Wir wollen möglichst unverbindlich und unabhängig bleiben. Kaum jemand möchte sich auf etwas festlegen. Es werden kaum mehr Termine über längeren Zeitraum hinweg gemacht, weil niemand weiß, was zu diesem fiktiven Termin in ferner Zukunft sein wird. Alle Möglichkeiten sollen zu jeder Zeit möglichst lange offen bleiben. Die ständige Erreichbarkeit über die digitalen Medien, über die heute fast jeder verfügt, ermöglichen uns uns jederzeit zu verständigen.

Vielleicht erscheint dann auch Unpünktlichkeit für die Unpünktlichen in einem anderen Licht, die ja zumindest in ihrem Zuspätkommen Bescheid geben können, dass sie zu spät erscheinen und dass sie ja inzwischen zumindest auf dem Weg sind. Das heisst, der Gegenüber, der bereits am Treffpunkt wartet oder zumindest eher ankommt, kann sich auf den Umstand einstellen und geht nicht einfach wieder, weil er denkt, es kommt niemand mehr, so wie das früher sicherlich der Fall war (nach meinem oben geschilderten Erlebnis hatte ich mir vorgenommen nie mehr länger als 15 Minuten zu warten).

Gibt es eine Lösung?

Daher stellt sich schnell die Frage: gibt es denn nun eine Lösung für das Problem mit der Unpünktlichkeit? Eine Lösung für den inneren Konflikt, aufgrund dessen ich nicht schaffe pünktlich zu sein?

Nein, als solches gibt es keine Lösung. Nicht im Sinne von „Du musst das und das tun und Du kommst nie wieder zu spät.“. Denn das Zuspätkommen ist für die, die sich chronisch verspäten, bereits die Lösung. Sie ist in dem Augenblick die beste Lösung, zumindest für den inneren Konflikt, auf was auch immer dieser im Detail beruhen mag. 

Es können Erlebnisse und Erfahrungen aus der Kindheit sein, die unbewusst in diesen Situationen, wenn es um Pünktlichkeit geht, zum Tragen kommen. Alte Glaubenssätze werden aktiv, wir fühlen uns wieder zurückversetzt in die Kindheit und hören unbewusst unsere Eltern, die uns eintrichtern: „Du hast Punkt 19 Uhr daheim zu sein. Und keine Minute später. Merk Dir das.“ Nicht selten flogen dann noch ein paar Androhungen hinterher, was alles passierte, wenn wir nicht pünktlich sind. Um diesen alten Mustern zu entfliehen, kann sich unbewusst das rebellische Gefühl des Aufbegehrens breitmachen, das schließlich in Unpünktlichkeit gipfelt.

Hier kannst Du nur selbst die Verantwortung für Dein Leben in die eigenen Hände nehmen, indem Du Dir bewusst machst, dass Du heute erwachsen bist. Dass Du damit nicht mehr abhängig bist von Anderen, Dir nichts mehr aufgedrückt wird, sondern Du frei entscheiden kannst, Du an den meisten Vorgängen in Deinem Leben aktiv beteiligt bist. Also sieh Dich nicht als Opfer Deines eigenen Unvermögens pünktlich zu sein, sondern nimm bewusst wahr, dass Du unpünktlich bist. Akzeptiere diese Tatsache erst einmal vollständig an Dir selbst. Nimm diesen Umstand liebevoll an und wage doch dann mal einen Blick auf Deinen inneren Konflikt.

Und? Was erkennst Du?

Und die Lösung für die Wartenden? Nimm die Zeit, die Du auf Dein Gegenüber warten musst als Geschenk. Sei dankbar und nutze die Zeit für Dich: werde achtsam und nimm bis zum Eintreffen des Anderen ein paar bewusste Atemzüge, komm vollständig ins Hier und Jetzt, nimm wahr, was um Dich herum passiert, verankere Dich im jetzigen Moment und lass keine unnötigen negativen Gedanken über den Umstand des Wartens aufkommen. Und sollte der Andere zu lange brauchen, dann werde Dir darüber bewusst, dass natürlich auch Du erwachsen bist und selbst entscheidest, wie lange Du wartest und wann Deine Geduld Grenzen hat. Dann ist es vielleicht besser einen neuen Termin auszumachen.

♥ Für Toleranz auf allen Seiten. ♥

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