Wir alle verbinden Meditation in erster Linie mit etwas Ruhigem, Angenehmen. Nimmt man sich die Zeit zu meditieren, nimmt man sich auch Zeit für sich selbst. Man tut etwas für sich, steigt für ein paar Minuten aus dem turbulenten Alltag aus und ja, beinahe hat es einen Wellness-Charakter.
Doch wer sich der Meditation ernsthaft annähern und sie regelmäßig praktizieren möchte, wird schnell feststellen, dass sich das Meditieren mitunter als äußerst schwierig erweisen kann. Wird es erst einmal still um uns herum und geben wir alle äußeren Aktivitäten für ein paar Augenblicke auf, bedrängen uns plötzlich allerlei Gedanken und Emotionen. Die zuvor beinahe romantisierte Einsamkeit auf dem Kissen verkehrt sich um in Ruhelosigkeit, Getriebenheit und Fluchtgedanken. Plötzlich ist alles da, nur keine Stille und vor allem kein Frieden.
Warum auch das ein wesentlicher Aspekt von Meditation ist und warum gerade er Entwicklungspotenzial erhält, erzähle ich Dir hier.
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Obwohl ich mich nun schon seit einiger Zeit mit Meditation befasse und (eigentlich) über eine regelmäßige Praxis verfüge, komme auch ich ab und an ins Straucheln und gerate immer wieder in dieselben unerträglichen Zustände.
Ich sitze dann da auf meinem Kissen und merke, wie all die Unruhe hochkommt. Zum Teil ist diese so stark, dass ich merke, wie mein ganzer Körper zu flirren beginnt. Als wäre er ein Bienenstock. Jede Zelle in meinem Körper scheint zu vibrieren. Als würde ich unmittelbar neben einem Stromwerk sitzen, um zu meditieren. Als könnte ich spontan implodieren. Der Drang aufzustehen und dem Zustand zu entfliehen, ist dann derart übermächtig, dass ich wirklich viel Achtsamkeit und Geduld mit mir selbst brauche, um nicht schon aufgesprungen und davongerannt zu sein, bevor mir überhaupt klar wird, dass ich diesen Gedanken in die Tat umsetzen möchte. Manchmal stelle ich dann erst im Nachbarraum fest, dass ich tatsächlich die Flucht vom Kissen und weg von der Stille angetreten habe, wenn ich gerade zur Zimmertür hinausrenne.
Du bist nicht allein
Und jeder Mensch, der mit dem Meditieren beginnt, wird diese Zustände kennen. Bei den ersten Versuchen mag das noch gut funktionieren und man erlebt so etwas wie Harmonie. Pema Chödrön (in ihrem Buch „ Wie wir unsere Gedanken beruhigen“) verglich diese Zeit mit einer Art „Flitterwochen“: Man ist noch frisch und motiviert, nimmt sich viel vor, möchte viel erreichen, stürzt sich in das Abenteuer Meditation. Was soll schließlich schwer daran sein, einfach nur für ein paar Minuten mit geschlossenen Augen auf einem Kissen zu sitzen und nichts zu tun, außer zu atmen. Nichts, eben. Klingt wie die einfachste Sache der Welt. Und dann will man sich beweisen, dass es das auch ist.
Das geht anfangs ein paar Mal gut. Es zeigen sich erste positive Veränderungen und man fragt sich, was die Welt denn immer hat. Meditieren kann doch schließlich jeder. Doch mit der Regelmäßigkeit stellen sich dann auch die ersten Widrigkeiten und das erste Unbehagen ein.
Plötzlich wird die Zeit beim Sitzen zäh, man scheint die Sekunden zu zählen. Gedanken werden laut und bedrängen uns, Fluchtgedanken setzen ein, erste Zweifel machen sich breit bis hin zu der Überzeugung, dass wir vielleicht doch nicht meditieren können und Meditation etwas ist, dass uns doch so nicht liegt, wie zuerst geglaubt.
Wer weiß, wie viele Menschen ihre Übungen abbrechen und mit dem Meditieren aufhören, nur weil ihnen diese Hindernisse zu stark wurden und unüberwindlich erschienen und sie sich damit die wunderbaren Wirkung, die die Meditation – trotz all dem – haben kann, entsagen.
Kein Problem der modernen Zeit, sondern eines hochentwickelten Geistes
Hindernissen in der Meditation zu begegnen, liegt nicht nur an unserer schnelllebigen und stressanfälligen Zeit heute, sondern auch Buddha sah sich bereits vor über zweitausend Jahren diesen Schwierigkeiten gegenüber.
Die Hindernisse sind kein Hirngespinst von uns als einzeln Praktizierendem, sondern Du bist damit in allerbester Gesellschaft in der großen Gemeinschaft der Meditierenden. Jeder, der den Mut besitzt, sich mittels Meditation selbst zu begegnen, wird sich früher oder später diesen Hürden gegenüber sehen.
Für unsere eigene Praxis, unsere regelmäßigen Meditationen sind sie förmlich Gift, weil sie extrem überzeugend sind. Denn sie verhindern eine reale Sicht auf die wahre Natur der Dinge. Sie verklären unseren Blick, lassen uns blind und taub werden gegenüber dem Sein, verzerren unsere Wahrnehmung und verhindern das Erleben dessen, was wirklich ist. Deshalb ist es wichtig über sie Bescheid zu wissen, denn mit dem Wissen erwächst aus den Hindernissen auch ein unglaubliches Potenzial sich in seiner eigenen Meditationspraxis zu entwickeln und an diesen Widrigkeiten zu wachsen.
Wolken am Meditationshimmel
Für Dich ist vor allem wichtig zu wissen, dass es zutiefst menschliche Zustände sind, die Du da in der Meditation erlebst, wenn sich Hindernisse und Widerstände auftun. Du selbst machst nichts falsch und wie ich es bereits geschrieben habe: Du bist nicht allein.
Zu meditieren ist für unseren allzeit und allseits beschäftigten Geist eine so gänzlich andere Erfahrung als das, was er sonst im täglichen Leben erfährt, dass er sich in Augenblicken der Stille nicht anders zu helfen weiß als aufzubegehren und auszurasten.
Immer wieder lese ich von dem schönen Bild sich vorzustellen, der Geist sei der endlose Raum, der uns umgibt. Der Himmel, das Firmament. Klar, blau und von unvorstellbarer Weite. Die Hindernisse sind die Wolken, die an einem Himmel immer mal wieder auftauchen und das klare, strahlende Blau des Himmels immer mal wieder stören. Und nehmen die Wolken einmal überhand und sie verdichten sich zu einer dicken Wolkendecke, entsteht für uns der Eindruck, die Wolken wären die wahre Natur unseres Geistes und nicht der Himmel, den wir nun nicht mehr sehen können.
5 Hindernisse, die einer ruhigen Meditation im Weg stehen
Diese fünf Hindernisse bzw. Widerstände zeigen sich wie folgt:
1. Zweifel
Zweifel sind wie Säure auf der zarten Haut der Meditation. Es ist ein steter Prozess, bei dem sie sich unentwegt und flächendeckend in uns hineinfrisst.
Zweifel sind in meinem Empfinden das gefährlichste Hindernis. (Sagt übrigens die Königin der Zweifel. Da weiß ich bestens wovon ich rede!) Relativ schnell begehrt unser Geist in der Stille auf und wirft Fragen wie „Mache ich alles richtig?“, „Soll sich das so anfühlen?“, „Passiert überhaupt etwas?“, „Macht das eigentlich Sinn, was ich hier mache?“, „Vielleicht ist ein sportliches Workouts doch besser für mich?!“ und „Ich bin sicher der einzige Mensch auf dieser Welt, der nicht meditieren kann.“ in den Raum.
Es braucht viel Verständnis für sich selbst und für seinen eigenen tobenden Affengeist, Geduld und liebevolle Zuwendung dabei zu bleiben und darauf zu vertrauen, dass der Zustand der Meditation auch zu uns kommt und wir nicht aufgeben, was wir begonnen und uns vorgenommen haben.
2. Verlangen
Wir alle werden von Verlangen getrieben. Nach etwas oder nach jemanden. Gerade Verlangen ist in unserer Überflussgesellschaft ein großes Laster geworden. Wir glauben ständig irgend etwas noch zu brauchen, um wirklich glücklich sein zu können.
Und nicht nur das: Wünsche erzeugen Wünsche. Verlangen ist wie eine Hydra. Jeder Wunsch, den wir uns erfüllen, bringt gleichzeitig zwei neue Wünsche hervor. Was hat mir mein Geist auf meinem Meditationskissen nicht schon alles verkauft, was ich noch bräuchte. Könnte man mittels Gedankenübertragung mittlerweile im Internet shoppen gehen, ich würde meinen Job aufgeben müssen, um all die Pakete annehmen zu können, in denen all die Dinge wären, die mein Verstand beim Meditieren ordert, aus der Überzeugung heraus, dass ich ohne diese nicht mehr glücklich werden würde.
Auch können wir Verlangen nach einem bestimmten Menschen haben, sexuelles Verlangen hegen, Appetit nach etwas Essbarem oder auch nach einem bestimmten Ereignis oder Zustand, den wir uns in der Meditation wünschen. Verlangen ist dabei vielfältig geartet.
Gehen wir diesem Hindernis auf den Leim, werden wir schnell enttäuscht sein, denn Verlangen (welcher Art letztlich auch immer) ist eine trügerische Freundin, die uns immer nur hinhält und uns Versprechungen macht, die sie niemals einhält. Wenn wir auf Verlangen mit Erfüllung reagieren, ist das in den meisten Fällen nur ein äußert kurzes Vergnügen.
Aber ohne Frage ist auch die Nichterfüllung von Wünschen und Verlangen eine unangenehme Sache. Hier beisst sich eindeutig die Katze in den Schwanz und wir drehen uns im Kreis, wenn wir zwischen diesen beiden Wahlmöglichkeiten eine Lösung suchen.
3. Unruhe
Wie ich es bereits aus meinen eigenen Erfahrungen heraus geschildert habe, geht Unruhe meistens von unruhigen, besorgten oder auch angstvollen Gedanken aus, die sich dann nahtlos auf den Körper überträgt und so stark wird, dass es einem in der Meditation fast nicht möglich ist sitzen zu bleiben. Die Bandbreite der auslösenden Gedanken ist dabei äußerst breit gefächert:
„Der Müll muss noch runter.“ .. „Die Rechnung muss unbedingt noch bezahlt werden.“ .. „Ich muss die Wäsche noch waschen.“ .. „Habe ich für die Arbeit morgen alles vorbereitet?“ .. „Wo habe ich eigentlich die Schlüssel hingelegt?“ .. „Warum hat Nina noch nicht zurückgerufen?“ ..
Die Liste ist endlos. Und wenn wir dort so sitzen in der Stille scheint unserem Geist nichts zu banal, nichts zu lange her, nichts zu dramatisch und nichts zu unbedeutend, um es jetzt, da wir unsere Ruhe haben und und nur auf unseren Atem konzentrieren wollen, herauszukramen.
Für mich ist das Meditieren am Morgen am herausfordernsten, was die Unruhe angeht. Am Morgen, wenn der Tag noch vor mir liegt und viele Dinge auf mich warten, die es zu erledigen gilt. Dann bäumt sich mein Geist regelrecht auf wie eine Katze, der man ein Halsband anzulegen versucht. Er versucht sich aus der Ruhe herauszuwinden. Ich fühle richtig, wie sich diese geistige Unruhe auf meinen Körper überträgt. Als stände ich vollkommen unter Strom. Dann kostet es mich große Überwindung und Achtsamkeit bei mir zu bleiben und meinen Körper auf meinem Kissen zu halten. Er trickst, wo es nur geht, denn er lässt mich glauben, es juckt an irgendwelchen Körperstellen oder suggeriert mir, dass mit meinen Haaren etwas nicht stimmt und ich sie richten müsste, dass mein T-Shirt ein Zurechtzupfen benötigt, mir meine Beine einschlafen, mein Rücken weh tut. Was auch immer.
Mit allen Mitteln will er mich dazu bringen, dass ich mich bewege. Doch lasse ich mich darauf ein, verschlimmert sich der Zustand und die Ruhelosigkeit ist kaum mehr einzufangen.
4. Schläfrigkeit/ Trägheit
Deswegen ist es besser Meditation im Sitzen zu praktizieren, denn auch wenn wir noch nicht wirklich müde sind, kommt die Schläfrigkeit mit dem Sitzen. Unser Geist langweilt sich und einzuschlafen wäre dann doch die bessere Alternative als einfach nur mit geschlossenen Augen dazusitzen oder zu liegen und nichts zu tun.
Doch in dem Falle schliefen oder dösten wir, würden aber eben nicht mehr meditieren.
5. Widerstand/ Ablehnung/ Abneigung
Abneigung ist wie das Verlangen, nur andersherum. Gegen alles mögliche können wir in der Meditation eine Abneigung oder einen Widerstand verspüren. Das kann gegen die Meditation als solche sein. Wir hadern dann damit, dass wir uns überhaupt auf so etwas eingelassen haben, quasi mit uns selbst irgendwie diese Verpflichtung eingegangen sind. Oder aber wir haben etwas gegen die Länge der Zeit, die wir uns für unser Sitzen in der Stille vorgenommen haben und die der Timer (der einfach nicht klingeln will) für uns reguliert. Wir entwickeln eine Abneigung gegen das Sitzen, weil es uns die Beine einschlafen lässt oder wir einen Schmerz im Rücken verspüren. Gegen den Schmerz an sich können wir Widerstand verspüren. Oder auch gegen die Stimme dessen, der uns in der Meditation begleitet, sei es die Anleitung von einem Datenträger (Internet, CD, Podcast) oder gar die Stimme des Kursleiters, zu dem wir regelmäßig gehen, um uns durch eine Meditation führen zu lassen.
Das kann sich in uns bis hin zu Wut und Hass aufbauschen.
Eine Lösung für alle Hindernisse
Es ist wichtig, dass wir nicht noch Öl ins Feuer gießen und damit unsere Hindernisse richtig gut füttern, auch wenn sie wirklich sehr hungrig und bedürftig erscheinen. Wir dürfen uns ihnen nicht hingeben. Und auch das klingt erst einmal einfacher als es gerade für die auch ist, die noch ganz am Beginn mit ihrer Meditation stehen. Denn gerade am Anfang hat uns unser Geist mit all seinem Aufbegehren schneller eingewickelt als wir schauen können. Und sind wir nicht achtsam, trägt er uns davon in die Welt von Verlangen, Zweifel, Schläfrigkeit, Unruhe und Abneigung. Dann wird die Emotion hinter dem Hindernis so stark und übermächtig, dass es sich anfühlt als gingen wir unter und wollten wir uns bei starkem Wellengang zurück an die Wasseroberfläche kämpfen, was uns jedoch nicht gelingt, weil wir nicht merken, dass wir Gewichte zum Beschweren an den Beinen haben.
Was also tun, wenn einer oder mehrere der genannten Zustände eintritt?
Wir erforschen den Zustand. Wir erforschen, was das jeweilige Hindernis mit uns macht, was es in uns auslöst und wie es sich äußert. Und zwar erforschen wir es auf allen Ebenen: kognitiv (mit welchen Gedanken geht es einher), emotional (welche Gefühle löst das in mir aus?) und körperlich (welche körperlichen Symptome sind mit dem Zustand verbunden und wo fühle ich diese jeweils ganz besonders stark?).
Werde Dir bewusst darüber, dass Du kein Problem hast, sondern dass Dein Verstand das genauso macht, weil er beschaffen ist, wie er eben beschaffen ist. Die Ruhe macht ihm Angst, ist ihm unangenehm und schon dreht er durch.
Und vielleicht hilft Dir auch, wenn Du daran denkst, dass Du nicht allein mit diesem Phänomen bist. Jeder Meditationsschüler hat mit diesen Zuständen zu kämpfen. Das ändert zwar nichts an dem eigenen Empfinden für diese Hindernisse, aber da wir oft von schwierigen Dingen denken, dass sie nur uns betreffen, finde ich es immer tröstlich, wenn der Schleier des Schweigens über so manches mal gelüftet wird und uns klar wird, dass es (vielen) anderen Menschen auch so ergeht.
Also erforsche das, was in der Meditation auftritt, indem Du es erkennst (erkennen heisst, dass Du nichts ignorierst oder verdrängst, sondern offen wahrnimmst, was sich Dir zeigt im Jetzt) und benennst (sag Dir ruhig im Kopf, mit welchem Hindernis Du es gerade zu tun hast), Du in das Drama Deines Geistes nicht einsteigst und die Sache nicht so wichtig nimmst (welchen Namen Du ihr auch immer gegeben hast) und Du annimmst und sein lässt, was da sein will in dem Moment.
Freu Dich über das Hindernis, das es Dir gerade schwer macht zu meditieren
Das Hindernis ist da, ob Du willst oder nicht. Also nimm es an, begrüße es, freu Dich darüber, dass es da ist, denn erst unsere Hindernisse lassen uns an unseren Aufgaben wachsen und machen Entwicklung möglich. Je schwieriger es also in der Stille für Dich wird, desto größer ist die Lehre und der Nutzen, die/den Du aus der Meditationssitzung ziehst.
Das wiederum bedeutet jedoch nicht, dass Du nichts mitnimmst, wenn Du harmonische Zeiten in der Meditation erlebst. Ganz im Gegenteil. Verlass Dich darauf, dass Dich die Meditation im ganzen Spektrum des Seins unterrichtet. Nicht nur in dem, was wir für gewöhnlich mit dem Etikett „NEGATIV“ behängen. Auch die positiven Sachen bringt sie uns bei und lässt sie uns erleben und erfahren. Doch die gehen uns ja quasi einfach von der Hand.
Du musst Dich also in der Meditation niemals langweilen. Immer gibt es etwas zu beobachten und zu erforschen an uns, in uns und um uns herum. Lass Dich von Deinem Geist nicht ins Bockshorn jagen, bleibe geduldig und in liebevoller Annahme Deiner selbst und dem, was Dir begegnet, was auch immer kommen mag. Alles ist genau richtig, wie es da ist und auftaucht.
Ich wünsche Dir viel Freude beim (Er)Forschen und viele interessante Stunden auf Deinem Kissen.