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Kreativität

Langeweile – Raum zur Entstehung von Kreativität

Sich langweilen. Hmm.. Was ist das genau? Wie langweilt man sich eigentlich? Wann hast Du Dich das letzte Mal bewusst gelangweilt? Und was ist passiert als Dir langweilig war?

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Als ich Kind war, war Langeweile eine quälende Sache. Sie ging meistens mit Ungeduld und Beschäftigungslosigkeit einher. Vielleicht war es auch eine Art Unfähigkeit, sich von dem zu lösen, was man sich vorstellte gerade tun zu wollen, aber nicht zu können. 

Wenn ich den Begriff Langeweile heute höre und zurückdenke, fallen mir vor allem die Regentage meiner Kindheit ein. Wie ich auf der Fensterbank lehnte, förmlich an der Scheibe klebte, dem Regen dabei zusah, wie er die Straßen flutete, Blasen in den Pfützen schlug, die Welt um mich herum grau machte und ich Figuren in die von meinem Atem angelaufenen Stellen des Fensters malte, während ich darauf wartete, dass das Unwetter  vorüberzog und ich mit Freunden wieder raus konnte. Jede Minute wurde zu einer Ewigkeit. 

Der Drang zum Spielen wieder rausgehen zu wollen, war so stark, dass ich die Zeit, die es noch regnete, nicht mit etwas anderem überbrücken zu können schien. 

Langeweile – Die Zeit als Feind

„Vor langer Weile sterben“, war ein Ausdruck, den wir als Kinder oft benutzten. Mir ist sooo langweilig“ waren Sätze, die mir noch gut in Erinnerung sind. „Wenn Dir langweilig ist, mach etwas Sinnvolles.“, hieß es dann regelmäßig von den Erwachsenen. Aber was war etwas Sinnvolles? Und musste ich etwas mit Sinn nur tun, wenn mir langweilig war? Hatte sonst Sinn, was ich tat? Ich wunderte mich, hinterfragte es aber nicht weiter.

Als es dann endlich aufhörte zu regnen, merkte ich es jedoch manchmal gar nicht gleich, weil sich dann, ohne dass mir das so richtig bewusst war, scheinbar doch etwas gefunden habe, das mir die Zeit vertrieb. Meistens malte ich. Die Zeit, die soeben noch mein Feind war, stand nun wieder auf meiner Seite und verleitete mich zu kreativem und kontemplativem Tun. 

Heute vermisse ich diese alte Freundin, die mich als Kind doch immer in den Zwiespalt des Mögen oder Nichts-mögen katapultierte. Doch wo ist sie geblieben, die Langeweile? Langweilt man sich nur, wenn man Kind ist? Oder haben sich die Zeiten seither so sehr gewandelt, dass Langeweile zu purem Luxus mutiert ist? Ist unser Leben heute so ausgefüllt oder stopfen wir es selbst so voll?

Das (über)volle Leben

Als berufstätige Erwachsene ist das Leben ausgefüllt. Wenn man sich im Freundes- oder Bekanntenkreis mal umhört, stöhnen heute alle regelmäßig und man gewinnt den Eindruck, dass wir zwar tagsüber immer noch die gleiche Anzahl an Stunden unterwegs sind, wie noch vor 20 Jahren, doch dass wir heute in derselben Zeit Aufgaben abzuarbeiten haben, die noch einen weiteren Menschen beschäftigen würden. Unsere Arbeitsprozesse sind mittlerweile hoch verdichtet, weil die Technik viel übernimmt, aber auch Personal eingespart wird, unsere Arbeitsabläufe und unser Privatleben wird nach allen Regeln der Kunst optimiert und effektiv getaktet. Von der ersten bis zur letzten Stunde unseres Tages ist alles strukturiert und durchorganisiert. Selbst unsere Freizeit gerät zunehmend in die Planungsmangel. 

Das Thema Stress ist in aller Munde. Und wenn Menschen gestresst sind, brauchen sie Zeiten der Erholung. Bei chronischem Stress bleibt die Frage zurück, ob sie überhaupt je genug Auszeiten haben, um sich zu erholen und ob vielleicht auch deswegen kaum Langeweile aufkommt. Denn wenn ich das an mir selbst beobachte, so muss ich sagen, dass ich mich in den Zeiten, in denen ich mich sehr belastet fühle, auch dann noch nicht langweile, wenn ich gar nichts zu tun habe. Dann gleicht mein Zustand eher einer Apathie statt Langeweile. 

Kreativität
Kreativität unterbricht den Kreislauf unserer ständig abzuarbeitenden Verpflichtungen.

Medien als Füllung der Langeweile-Löcher

Unser Leben ist heute unglaublich voll, vielseitig, beschäftigungs- als auch ablenkungsreich. Das alles lässt Langeweile gar nicht erst aufkommen. Jede untätige Minute füllen wir.

Auch die Medien tragen dazu bei, dass Langeweile nicht mehr dasselbe ist wie früher. Unsere heutigen medialen Möglichkeiten sind breit gefächert und wir alle haben mittlerweile das Internet in der Hosen- bzw. Handtasche. Das Smartphone ist wohl zum größten Langeweile-Feind schlechthin geworden. Ob wir nun Zeit haben oder eigentlich nicht, aufs Smartphone wird immer geschaut. Sei es in der Raucher- oder Mittagspause, auf Transportwegen mit Bus oder Bahn, bei den Mahlzeiten. Und das nicht nur einmal am Tag, sondern immer und immer wieder. Sobald mal nichts zu tun ist, ist das Smartphone zur Hand, bis sich die Angewohnheit schon beinahe zu einem nervösen Tick ausgewachsen hat. Wir schauen sogar drauf, obwohl es keinen Ton von sich gegeben hat und eine Veränderung nicht zu erwarten ist. 

Wir stöbern im Internet, bedienen die sozialen Netzwerke und schauen uns Filme und Serien an. Dabei gehen Stunden ins Land, die jedoch verfliegen wie nichts. Zeiten, die uns kaum wirklich bewusst sind und aus denen wir meistens keinen direkten, unmittelbaren Nutzen ziehen. 

Langeweile nur noch im Urlaub?

Heute ergibt sich Langeweile, wenn überhaupt, meistens nur noch in Urlaubszeiten. Und da kommt es auch noch darauf an, wie man seinen Urlaub verbringt. Wer seine freie Zeit darauf auslegt am Strand zu liegen und die Seele baumeln zu lassen, findet vielleicht hier und da tatsächlich einen Funken Langeweile. Wer dagegen Aktivurlaube plant, wird weniger mit Langweile konfrontiert sein, weil die Aktivphasen auch Ruhephasen fordern, die wiederum der Regeneration dienen. Wenn ich an meine Urlaube der letzten Jahre denke, waren wir immer so viel unterwegs, haben uns die Gegend angesehen, lange Wanderungen oder Radtouren unternommen, dass ich am Abend froh war, wenn ich überhaupt noch dazu kam, in meinem mitgebrachten Buch noch ein paar Seiten zu lesen, bevor ich zu müde wurde und mir die Augen zufielen. Und das, obwohl auch in aktiven Ferien alles zwei, drei Gänge langsamer vonstatten geht, die Tage jedoch trotzdem immer ausgefüllt sind. 

Langeweile als Ursprung für Kreativität

Dabei ist Langeweile ein wichtiger Prozess. Erst Langeweile legt in uns den Schalter um und lässt uns kreativ werden, weil unser sich langweilender Geist auf Wanderschaft gehen kann. Meiner eigenen Erfahrung nach, muss dazu allerdings eine entspannte Grundstimmung vorherrschen. Stress, gerade der, der von uns als negativ empfunden wird, ist selten Ausgangspunkt für Kreativität. Auch wenn die gestresste Seele mitunter durchaus Zeiten der Untätigkeit erlebt, erwachsen aus dieser eher Ängste und Sorgen, ein Geist, der nicht zur Ruhe findet und das Hamsterrad der negativen Gedanken weiterhin am Laufen hält, aber keinen Zugang zur kreativen Quelle findet. 

Kreativität

Dabei ist Kreativität für uns Menschen ein so existenzielles Bedürfnis wie Nahrungsaufnahme und Sexualität. Der Mensch ist grundsätzlich erst einmal kreativ, unabhängig von den Bewertungen anderer und natürlich auch unabhängig davon, für wie kreativ er sich selbst hält. Die meisten von uns setzen heute Kreativität mit Kunst gleich und es herrscht der Glaube vor, man müsse Künstler sein, um kreativ zu sein. Doch das ist Unsinn. Kreativ sein kann jeder, ganz egal, ob der kreativ Tätige von seiner Kreativität leben kann (oder will) oder ob er es nur um des kreativ Tätigseins tut. Bei Kreativität geht es vor allem darum sich in etwas zu verlieren, was Herz und Seele gleichermaßen erfüllt, ohne dabei etwas leisten oder Erwartungen erfüllen zu müssen. Damit ist sie der absolute Gegenpol zu allem in unserem Leben, was verstandgemacht und kopflastig ist. Kreativität ist die Triebfeder des Lebens. Die besten und schönsten Dinge erwachsen schöpferischen Einfallsreichtum.

Langeweile selbst schaffen und aushalten

Es klingt erst einmal absurd, doch müssen wir uns heute nicht nur Auszeiten als Gegenpol zum Stress aktiv selbst schaffen, sondern auch dafür sorgen, dass wir uns wieder langweilen. Und ist die Langeweile erst einmal da, müssen wir auch noch lernen sie auszuhalten. Es ist wichtig uns wieder die Gelegenheit zu geben, von der Muße geküsst werden zu können, um Kreativität überhaupt wieder entstehen lassen zu können. 

Das bedeutet auch, dass wir zwingend eine bessere Balance zwischen unseren beruflichen und privaten Verpflichtungen schaffen müssen, dass es dort klare Grenzen gibt und Zeiten, in denen ein wirkliches Abschalten möglich ist. Es muss wieder Freiräume geben, in denen es keine Pläne, keine Termine und Aufgaben gibt. Das bedeutet auch, dass auch Medien nur begrenzt benutzt werden sollten. Das, was wir bei unseren Kindern versuchen streng zu reglementieren, damit sie die Möglichkeiten zu Tätigkeiten haben, die mal nichts mit Medien zu tun haben, gelten dann in ähnlicher Weise auch für uns.

Wir dürfen es uns nicht mehr so leicht machen Ablenkung zu erfahren. Zumal die Frage bleibt, von was wir uns eigentlich versuchen abzulenken. Was wollen wir nicht aushalten? Was wollen wir nicht spüren? Uns selbst? Unsere Gedanken? Das Gefühl, dass etwas fehlt im Leben? Dass wir ein Leben haben, das nicht unseres ist, wir unzufrieden, getrieben und vielleicht sogar unglücklich sind?

Wir können aber erst etwas ändern, wenn wir uns erlauben Zeiten des Nichtstuns und der Langeweile auszuhalten und Kreativität aufkommen lassen. 

Dann müssen die Veränderungen in unserem Leben vielleicht gar nicht so allumfassend sein, wenn wir unserer Seele wieder Raum geben sich zu entfalten, indem sie ihrer ganz ursprünglichen Tätigkeit wieder nachgehen kann: ihrem kreativen Potenzial. 

Dann kann Kreativität einen wahren Gegenpol zu Alltagspflichten darstellen und uns durchaus bei der Stressbewältigung unterstützen.

Trau Dich kreativ zu sein. Du hast nichts zu verlieren.

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