Da nimmt man sich Zeit für seine Meditation, richtet sich selbst im Tagesablauf einen geeigneten Zeitpunkt ein, ist versucht äußere Störfaktoren und Hindernisse auf ein Mindestmaß zu reduzieren, richtet sich in seinen eigenen vier Wänden ein hübschen Plätzchen dafür her, hat Sitzkissen, Decke, Räucherwerk und Kerzen bereitgestellt. Der Meditationstimer zeigt großzügig 30 Minuten Zeit nur für einen selbst. Einfach mal aussteigen aus dem Pflichten- und Termin-Hamsterrad des Alltags. Man stimmt sich ein, nimmt die ersten drei bewussten und tiefe Atemzüge, konzentriert sich dann auf seinen Atem, wie er natürlich fließt, und konzentriert sich auf das Gefühl des Atems an den Nasenlöchern. Man genießt die Stille, das Nichtstun. Das einfach nur Sein ist so kostbar. Niemand verlangt etwas von einem, es gibt nichts zu leisten, nirgendwohin zu gelangen. Nichts.
Und plötzlich sind sie da..
„Ich muss unbedingt noch Wäsche waschen!“ … „Wie ging das Rezept gleich nochmal, das ich zum Abendbrot kochen wollte?“ …
Das ist genau das, was nicht passieren soll, und doch passiert es. Immer wieder und wieder. Mühsam windet man sich aus den Gedanken, die wie ein Strudel wirken. Also wieder den Fokus auf den Atem: Einatmen.. ausatmen.. einatmen.. ausatmen.. einatmen.. ausatmen.. einatmen..
„Was steht morgen gleich nochmal alles an?“ … „Wie konnte das Gespräch nur gestern so schief laufen?!“ …
Da sind sie wieder, die Gedanken. Sie drehen sich und kreiseln. Warum nur treten sie auf? Ich habe doch extra für alles gesorgt. Es ist eigentlich gar nicht möglich, das mich jetzt etwas ablenkt. Also wieder zurück zum Atem: Einatmen.. ausatmen.. einatmen.. ausatmen.. einatmen.. ausatmen.. einatmen..
„Wo ist eigentlich mein grüner Pullover abgeblieben? Vorgestern habe ich ihn noch gesehen.“ …
Das kann doch wohl nicht sein. Das ist doch jetzt gerade alles überhaupt nicht wichtig? Wieso muss ich dennoch darüber nachdenken? Ich will das doch gar nicht. Es kann doch nicht so schwer sein seinem Atem zu folgen. Also komm, reiß Dich zusammen: Einatmen.. ausatmen.. einatmen.. ausatmen.. einatmen.. ausatmen.. einatmen..
„Habe ich doch tatsächlich jetzt Hunger. Ich hätte vorher noch etwas essen sollen.“ … „Hmm, Nudeln wären jetzt nicht schlecht. Das könnte ich doch nachher kochen.“ …
Das ist doch nicht zum Aushalten. Wieso schaffe ich es kaum für fünf Atemzüge fokussiert zu bleiben? Schaffe ich nicht einmal diese leichte Aufgabe? Jetzt aber wirklich. Du musst es nur wollen: Einatmen.. ausatmen.. einatmen.. ausatmen.. einatmen.. ausatmen.. einatmen..
„Was ist das jetzt? Fängt mein Rücken an weh zu tun?“ … „Oh, wie unangenehm. Das ertrage ich nicht mehr lange.“ …
Gedanken kommen und gehen
Das alles ist kein Grund zum Verzweifeln. Der menschliche Geist ist genauso beschaffen. Er ist schon immer so gewesen. Dieser Prozess setzt irgendwann im Grundschulalter ein und nimmt stetig zu. Wir kennen es also nicht anders, schenken dem allem wenig Aufmerksamkeit bzw. leugnen diesen Zustand, kompensieren ihn, indem wir uns in äußere Ablenkungen, Aktivitäten, Genussmittel und Medien flüchten. Erst der Versuch der Meditation wird Dir zeigen, wie aktiv Dein Geist tatsächlich ist. Geschäftig wuselt er herum. Er hüpft, rast und torkelt. Er bäumt sich auf, flitzt umher und lärmt. Der Verstand treibt sich selbst an, jagt einen Gedanken nach dem anderen hinterher und ist kaum zu bändigen. Wie ein Perpetuum mobile hält er sich in seinen stetigen Bewegungen selbst aufrecht.
Immer hat der Geist zu tun und beisst sich an Kleinigkeiten fest. Er regt sich über Dinge auf, die passiert sind. Er bereut, Dinge, die geschehen oder eben auch nicht geschehen sind. Dinge, die gesagt oder nicht gesagt wurden. Er kaut alte Geschichten und Verletzungen immer und immer wieder durch. Er wälzt Probleme und verliert sich in Tagträumen. In Dingen, die er gern anders hätte als sie in Wirklichkeit sind, in Hoffnungen. Er produziert materielle Wünsche, nimmt Gespräche vorweg oder redet generell mit jemandem, der gar nicht da ist. Der Geist nimmt Dinge vorweg, bevor sie passiert sind und malt sie bereits in den dunkelsten Farben, Gefühlen und Folgen aus. Damit kreiert er Sorgen, schürt Ängste. Er hat auch schillernde Farben in seiner Palette, ist aber dann schnell enttäuscht, wenn sich die Realität hinterher anders gestaltet, und hat dadurch wieder eine Erfahrung produziert, auf der er wiederum erneut herumhauen kann.
Als hätte man einen kleinen irren Mann im Kopf, der einen den ganzen Tag belehrt, antreibt, triezt, nervt, unter Druck setzt, beschimpft und einem Sachen einflüstert, die man nicht selten auch noch zu glauben geneigt ist. Die größte dieser Lügen ist wohl die in unserer Gesellschaft schon beinahe chronische „Ich bin nicht gut genug!“-Lüge.
In der Meditation, gerade wenn man erst damit anfängt, wird man mit diesem Umstand sehr geplagt und man bekommt schnell den Eindruck, diese Gedanken nicht bändigen zu können. Schnell fragt man sich, ob man die einzige Person ist, bei der das so arg ist.
NEIN! Definitiv nicht! Das kennt jeder, der sich in Meditation übt. Dieser Zustand ist bei allen Menschen auf der Welt dasselbe. Keiner ist davor gefeit. Es gehört zum Mensch-Sein dazu wie der aufrechte Gang. Nur sind sich die meisten Menschen über die Vorgänge ihres Geistes nicht bewusst. Erst die Meditation versetzt den Menschen in einen Zustand, in dem einem dieses dauernde Geplapper des Geistes auffällt. Manche Menschen kennen dies vielleicht aus der Phase des Einschlafens. Auch da werden die Gedanken laut und übermächtig, wälzen noch Probleme oder organisieren schon den kommenden Tag und verhindern so ein harmonisches In-den-Schlaf-Gleiten.
Umgang in der Meditation mit den Ablenkungen des Geistes
In der Meditation können Ablenkungen und Hindernisse verschiedener Art auftreten und für fast jede gibt es auch Lösungen. Für die Ablenkungen des Geistes möchte ich hier ein drei Möglichkeiten anbieten:
Verzweifle nicht, sondern akzeptiere
Nicht verzweifeln ist ganz wichtig. Mache Dir bewusst, dass Du NICHT allein bist mit dieser Herausforderung. Selbst in Meditation erfahrene Menschen kennen das Problem. Es dauert wohl lange bis man sagen kann, dass man diesen Zustand hinter sich gelassen hat und der Geist seine Geschäftigkeit aufgegeben hat. Auch wenn man ihn schon gut fokussieren kann, gibt es trotzdem regelmäßig Sitzungen auf seinem Kissen, in denen sich der Geist mit all seinen zahlreichen Tricks rege bemerkbar macht. So ist er eben einfach. Das gilt es zu hinzunehmen, wenn man sich nicht in Verkrampfen und Kämpfen verlieren möchte.
In der Meditation geht es auch nicht vordergründig darum, seinen Verstand zum Schweigen zu bringen. Das ist so gar nicht möglich. Solltest Du an Meditation herangehen mit dem Ziel, dem Plappern im Kopf ein Ende bereiten zu wollen, wirst Du schnell enttäuscht und entmutigt sein.
Wichtig ist nur zu erkennen, dass unser menschlicher Geist so beschaffen ist. Wir können dies nicht ändern. Dinge, wie wir nicht ändern können, können wir aber annehmen und akzeptieren, um ihnen nicht weiter mit Unbehagen und Widerstand zu begegnen. Denn Widerstand würde diesen Zustand erst recht aufrechterhalten und gar verstärken, uns das Gefühl geben zu versagen und die Meditation verdammen und sie als für uns nicht geeignet abtun. Ganz nach dem Motto:
Alles was ist, will gesehen werden. Und alles, was gesehen wird, kann sich auflösen!
Was wir uns nicht ansehen, leugnen wir auf die eine oder andere Weise. Und wenn wir leugnen, wegschieben und vermeiden, bleibt es im Unterbewussten liegen, schwelt vor sich hin, behält aber seine Kraft und Macht. Es kann sogar durch den Versuch es loszuwerden an Macht gewinnen.
Nimm Deinen Geist und all seine Gedankenkonstrukte also liebevoll an und schmunzle über die Mechanismen Deines Verstandes. Er meint es nicht böse, kann aber nicht anders.
Die Gedanken selbst beobachten
Kommen also in der Meditation Gedanken auf, kannst Du auch das Licht Deiner Aufmerksamkeit auf sie lenken. Die Gedanken zeigen Dir nur, dass Du nicht mehr achtsam genug bist, um im Hier & Jetzt zu verweilen. Du sinkst langsam wieder unter den Mantel des Unbewussten und dein Geist nutzt diese Gelegenheit sofort. Gedanken sind jedoch wie kleine lichtscheue Vampire. Lenkst Du aber das Spotlight der Achtsamkeit auf sie, lösen sie sich in der gleißenden Helligkeit des jetzigen Moments in Wohlgefallen auf. Erst wenn es langsam wieder etwas dunkler wird, die Dämmerung der Unbewusstheit zurückkehrt, kommen die kleinen Quälgeister zurück, um ihr unheilvolles Werk in unserem Kopf zu fortzuführen.
Probiere es ruhig einmal aus: Sobald Du in der Meditation bemerkst, dass Dich Deine Gedanken von der Aufmerksamkeit auf den Atem abziehen, wandere mit Deiner Achtsamkeit zu dem jeweiligen Gedanken, der gerade aktuell auftritt. Schau ihn Dir an als wärst Du ein Beobachter, ein Zeuge außerhalb des Gedankens selbst. Nimm ihn war, nimm Dir vor ihm ein paar Augenblicke lang zu folgen. Gerade lang genug, um ihn in seiner Qualität, Intensität und Thematik wahrzunehmen. Und Du wirst merken, unter der Achtsamkeit des jetzigen Moments bricht der Gedanke zusammen, löst er sich auf wie Nebel und es tritt Ruhe im Kopf ein.
Gern kannst Du dann auch mal auf das Auftreten des nächsten Gedanken lauern. Er wird nicht kommen. Erst wenn Du Dich „langweilst“ vom Warten und damit wieder Stück für Stück in den Nebel der Unbewusstheit zurücksinkst, werden wieder Gedanken aufkommen, deren Einzug in Deinen Geist Du genauso wenig wahrnimmst wie zu den Zeiten, in denen Dein Fokus eigentlich auf dem Atem liegt.
Präzisiere Deine Achtsamkeit, lasse sie immer feiner werden mit den Wochen und Monaten der Übung. Und schau genau hin, wann welche Ablenkung auftritt. Schau mal, ob Dir mit Ausbau Deiner Meditationspraxis möglich ist, die ersten Tendenzen ihres Eindringen in Deine Fokussierung zu vernehmen. Denn je eher Du die aufkommenden Gedanken wahrnimmst, desto eher kannst Du zurückkehren zum Atem und umso weniger lässt Du Dich in sie verstricken.
Hadere nicht mit dem Umstand nicht fokussiert bleiben zu können
Die ersten Tendenzen bei erfolglosen Versuchen den Fokus auf dem Atem (oder natürlich auch jedem anderen erwählten Meditationsobjekt) zu halten, führen schnell dazu, dass man an sich selbst zweifelt und damit hadert, ob man überhaupt meditieren kann.
Ja, natürlich kannst auch Du meditieren! JEDER kann meditieren.
Nimm wahr, wenn Du Dich selbst scheltest für das Abschweifen der Gedanken. Wie gesagt, das machst nicht Du selbst, sondern Dein Verstand macht das. Du kannst das nicht verhindern. Er tut dies nicht immer mit derselben Intensität und Lautstärke, aber er ist meistens beschäftigt. Es gibt also absolut keinen Grund mit Dir deswegen ins Gericht zu gehen und Dir selbst Schuld zuzuweisen. Verdamme Dich nicht.
Nimm eher liebevoll an, was Du feststellst. Gedanken, körperliches oder emotionales Unbehagen. All das ist Teil des Lebens, ein Teil von Dir. Geh stets liebevoll, geduldig und sanft mit Dir um. Beobachte alle auftretenden Zerstreuungen ohne jegliche Selbstverurteilungen und Tadel. Nimm immer wieder lediglich alles wahr, was Dich in der Meditation erreicht und kehre zurück zu Deinem Atem. Gestalte Deine Zeit in der Stille auf Deinem Kissen in fließenden geistigen „Bewegungen“ und bleibe im Fluß mit den Geschehnissen.
Nimm einfach immer nur wahr, was auftaucht und wie es wieder verschwindet. Kehre zwischen dem Auftreten dieser Ablenkungen sanft zurück zu Deinem Atem bis die nächste Zerstreuung Einzug in Deinen Geist hält. Nimm sie wieder wahr, beobachte ihr Wesen und ihr Auflösen und lenke Deine Achtsamkeit erneut zu den Bewegungen Deines Atems. Wie ein sanftes Dahingleiten, egal, wie oft Ablenkungen und Zerstreuungsmomente auftauchen.
Mehr ist es nicht.
Ich wünsche Dir viel, viel Freude in der Stille.