Tagebuch schreiben. Das klingt erst einmal einfach und ist eigentlich auch keine größere Wissenschaft, zumindest nicht für sich so ganz privat, wenn man einfach nur aufs Schreiben aus ist und das Tagebuch dazu nutzen möchte, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Doch schreibt man schon lange Tagebuch, vielleicht sogar bereits seit Kindertagen beginnt man im Erwachsenenalter manchmal zu hinterfragen, was man da eigentlich tut, ob das Sinn macht und ob man das Tagebuch so schreibt, wie es gedacht ist bzw. sich tatsächlich ein Nutzen für einen selbst ergibt.
Da möchte ich von vornherein sagen: Du kannst beim Tagebuch schreiben nichts falsch machen. Lass Dich intuitiv mitnehmen und schreibe auf, was Dir in den Sinn kommt, durch den Kopf geht und was einfach in Dir nach Ausdruck sucht.
Dennoch möchte ich Dir ein paar Inspirationen geben, wie Du ein Tagebuch führen kannst, um Dich auszuprobieren, mal die Taktik zu wechseln, Deinen Blickwinkel zu erweitern oder auch einfach um Dir mal aufzuzeigen, was alles möglich ist.
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Tagebuch schreiben klingt heute leider für viele unmodern. Inzwischen schreibe ich bereits seit über 26 Jahren Tagebuch. Und natürlich habe ich in all den Jahren auch viele Höhen und Tiefen mit dem Schreiben über mich selbst und mit mir selbst erlebt. Wer hier immer mal mitliest, weiß da sicher auch das eine oder andere schon von mir.
Ich habe im Teenager-Alter mit dem Schreiben begonnen, nachdem ich von meinen Eltern mein erstes Tagebuch zu einem Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Damals habe ich nicht geahnt, wie wichtig das Schreiben für mich im Laufe meines Lebens werden würde, obwohl ich schon damals gern schrieb. Ich liebte die Handschrift, liebte Stifte und Papier. Das alles war für mich schon immer eine sehr anziehende und leidenschaftliche Kombination. Und das ist sie bis heute. Meine Liebe zum Schreiben hat, trotz aller Krisen, keine Kratzer bekommen und ich habe immer wieder dahin zurückgefunden.
Doch kann man sagen, dass etwas, das man seit Kindesbeinen an tut, erst einmal nur da ist. Es ist einem so vertraut, so nah, dass man kaum eine reflektierende Position dazu einnehmen kann. Man tut es einfach. Man hinterfragt es kaum. Vor allem dann nicht, wenn alles in Ordnung ist und sich keine Schwierigkeiten auftun.
Und man hat nie einen Vergleich, weil ein Tagebuch etwas Intimes ist, etwas Persönliches. Man muss nicht vergleichen. Es kommt gar nicht auf einen Vergleich an, und trotzdem fragt man sich irgendwann: Wie schreiben eigentlich andere Menschen ihr Tagebuch?
1000 Menschen, 1000 Arten Tagebuch zu schreiben
Was haben Thomas Mann, Bertold Brecht, Franz Kafka, Anais Nin, Adorno, Albert Camus, Max Frisch, Goethe, Jean-Jacques Rousseau, Clemens Meyer, Leo Tolstoi und Anne Frank gemeinsam?
Genau, sie alle schrieben Tagebuch. So unterschiedlich die Epochen waren, in denen sie lebten, wie unterschiedlich auch ihre Lebensumgebungen und Umstände, ihre Charaktere und ihre Ambitionen des Schreibens, so haben sie doch alle gemeinsam, dass sie der Welt Tagebücher hinterlassen haben, von denen einige sogar veröffentlicht wurden.
Eines der bekanntesten darunter war sicherlich das Tagebuch von Anne Frank. Mitunter die interessantesten wahrscheinlich die Tagebücher von Anais Nin, die darin ihre Dreiecksbeziehung mit Henry Miller und dessen Frau June schildert.
Doch was ist ihnen außer der Tatsache, dass sie alle Tagebücher schrieben, noch gemeinsam? Daß kein Tagebuch dem anderen gleicht. Nicht im Stil, nicht in der zeitlichen Benutzung, nicht in der Art des Führens des Tagebuchs. Und die Gemeinsamkeit des Unterschieds liegt nicht darin begründet, dass sie in unterschiedlichen Epochen lebten, sondern dass es jeder von ihnen auf seine eigene Art und Weise führte. Sie schrieben einfach. In einer Zeit, die noch weniger verkauft war als die unsere heute. In der einfach getan und nicht so viel hinterfragt wurde. In einer Zeit, in der den meisten von ihnen die Medien fehlten, die sie dazu hätten befragen können, so wie wir heute alles „googeln“ können, um uns Informationen zuzuführen. Kein Wissensdrang muss mehr aufgeschoben werden oder brach liegen. Wir tragen das Weltwissen heute in der Hosentasche in Form von Smartphones mit uns herum und fast mit der Minute, in der sich uns ein unbekannter Sachverhalt auftut, über den wir etwas wissen wollen oder sich für uns eine Frage oder Unsicherheit ergibt, können wir nachschlagen und zu Erkenntnis gelangen.
Texte, Texte, Texte
Heute gibt es fast über alles Texte im Internet, Bücher, e-books oder aber auch Videos. Wir sind in einer Mit-mach-Welt angekommen. Sie Dir ein Video an und lerne dies und jenes zu tun. Wir wissen zwar heute mehr und Autodidaktik bekommt ein ganz neues Gesicht, doch hinterfragen wir auch immer mehr und trauen uns selbst und unseren Fähigkeiten, unserer Intuition immer weniger. Wir googeln heute lieber unsere Krankheitssymptome als auf unser Bauchgefühl zu hören, was in unserem Organismus in Schieflage geraten sein könnte und was die Lösung dafür ist, um wieder Wohlbehagen herzustellen.
Und irgendwie ergeht es uns selbst bei so simplen und eigentlich intuitiven Dingen wie dem Schreiben eines Tagebuchs ebenso.
Wir unterliegen ständig dem inneren Kritiker und Zensor, immer dem Drang der Selbstoptimierung und müssen alles so effektiv wie möglich gestalten. Manchmal hat es ernsthaft den Anschein als fühlten wir uns erst wohl, wenn alles irgendwie einen klinischen, sterilen und therapeutischen Anstrich bekommt. Daher stammt vielleicht auch die „Bewegung“, dass ein Tagebuch nicht einfach nur mehr ein Tagebuch sein kann, sondern heute eher zum Führen eines Journals geraten wird, in dem im Fokus steht, sich selbst zu reflektieren und damit einen Weg (zurück) zu sich selbst zu finden.
1000 Formen täglicher Begleiter des Schreibens
Dabei ist der Sinn des Schreibens vielleicht einfach nur das Schreiben selbst. Schreiben. Wie man eben schreibt. Fließenlassen, was in einem aufkommt und nach einem schriftlichen Ausdruck verlangt.
Es gibt viele Menschen, die sich ausdrücken, wenn auch nicht zwingend in einem Tagebuch. Manche Menschen malen. Einige von ihnen sogar täglich, auch in eine Art Notizbücher. Sie illustrieren ihren Tag, kleiden ihn in Farbe. Manche Menschen mögen eher Kalender, skizzieren dort zwischen ihren Terminen kurze Abrisse und die wichtigsten Stationen ihres Tages. Aus dem Japanischen stammt das sogenannte Hobonichi, ebenfalls eine Mischung zwischen Kalender und Tagebuch, das jedoch auch hauptsächlich von der täglichen Gestaltung der Seiten lebt, indem mit vielen verschiedenen Materialien die Seiten gestaltet und verziert werden, aber gleichzeitig auch mit Text versehen werden können. Nahe damit verwandt, aber doch etwas europäischer ist das seit einigen Jahren moderne Bullet Journal, ein eigentlich neutrales Buch mit blanko Seiten, das komplett selbst gestaltet werden kann und vor allem von Listen und Übersichten lebt. Damit bietet es eine höchstmögliche Personalisierung, Raum für kreative Entfaltung und lässt sich auf die individuellen Bedürfnisse eines jeden selbst haargenau anpassen und jeden Monat neu verändern, wenn es die Lebenssituation erfordert. Jedoch scheint es ebenso sehr auf Selbstoptimierung ausgelegt. Eine Art analoge SmartWatch in Form eines Kalenders. Hier wird jedoch beinahe täglich mehrmals damit gearbeitet, Listen werden ausgefüllt, abgehakt, ergänzt und neue Listen angelegt, sich und seine Lebens- und Arbeitsabläufe stets selbst evaluierend, Ziele straight verfolgend, um hinterher Schwächen ausmachen zu können: Dinge, die man nicht so gern tut, Dinge, die einem leicht fallen, Aufgaben, die man erledigt hat und die, die noch abzuarbeiten sind. Nichts wird mehr vergessen, weil alles im Bullet Journal steht.
Grenzenlose Möglichkeiten
Es liegt also nur an Dir. Probiere also aus bzw. (für den Fall, Du schreibst bereits Tagebuch) lass Dich ermuntern das auch weiterhin zu tun und vielleicht findest Du die eine oder andere Anregung, um mal die Form des Schreibens zu wechseln.
Du weißt: Grenzen erlegen immer nur wir selbst uns auf. Niemand anders.
7 Anregungen ein Tagebuch zu führen
1. Ein kurzer Abriss Deines Tages
Ganz klassisch kannst Du entweder immer mal im Laufe des Tage oder dann meistens am Ende eines jeden Tages einen kurzen Tagesverlauf skizzieren. Kurz und knapp reicht völlig aus. Dies kann gern auch in Stichpunkten geschehen und müssen nicht einmal ausformulierte Sätze sein.
Beispiel:
- Morgens Treffen mit Dörte im Café an der Ecke zum gemeinsamen Frühstück und Austausch
- Mittags die Gartenmesse in Dresden besucht
- Spät abends Spaziergang am Elbufer
- Telefonat mit Friederike
Du entscheidest selbst, was wichtig ist und was nicht. Du entscheidest auch darüber, wie viel Du berichtest und wie ausführlich Du darüber schreibst.
2. Ein langer Abriss des Tages
Ganz ähnlich wie in dem vorangegangenen Punkt und nach der Definition des klassischen Tagebuchs kannst Du am Ende Deines Tages einen Abriss vom Verlauf Deines Tages geben. Was ist geschehen? Welche Orte hast Du aufgesucht? Welchen Personen bist Du begegnet? Was hat sich an Ereignissen zugetragen?
Die kurze Form von oben gibt es hier nun in der langen Form mit ausformulierten Sätzen im Fließtext.
Beispiel:
„Morgens habe ich mich als allererstes mit Dörte im Café vorne an der Ecke getroffen. Dort war es heute früh ungewöhnlich voll. Wir sprachen über ihre Schwangerschaft und wie diese ihre Beziehung zu Frank verändert hat. Danach war mein Jobwechsel ein Thema. Nachmittags fuhr ich nach Dresden auf die Gartenmesse und abends ging ich noch am Elbufer spazieren. Kurz bevor ich zu Bett ging, telefonierte ich noch kurz mit Friederike.“
Es geht um einen reinen Abriss der Ereignisse. Auch diese Form hat noch keinen reflexiven Charakter. Aus welchen Gründen Menschen solche Aufzeichnungen machen, sei völlig offen. Das muss uns als Außenstehende nicht interessieren und bleibt völlig dem Schreiber überlassen. Doch es gibt sehr viele Menschen, die zumindest eine grobe, beinahe wie nebensächlich wirkende Aufzeichnungen im Kalender unternehmen, vielleicht in der Hoffnung, den Details eines aktuellen Leben, das irgendwann einmal in ferner Vergangenheit liegen wird, etwas zu geben, das sie erhält, um sie nicht im Nebel des Vergessens verschwinden zu lassen.
3. Das emotionale Tagebuch
Die Form des letzten Punktes gibt es auch in der emotionalen und reflektierenden Variante:
Beispiel:
„Das Aufstehen an diesem Morgen fiel mir schwer. Ich hatte abends lange an einem neuen Text gearbeitet, es wurde spät und so blieb mir nicht ausreichend Zeit zum Ausschlafen bis ich gegen 9 Uhr bereits mit Dörte im Café vorne an der Ecke verabredet war. Jedoch wollte ich nicht absagen, wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen. Im Café war es heute ungewöhnlich voll und ich war schnell angestrengt von der Laustärke. Dörte berichtete mir von ihrer Schwangerschaft und wie stark sich dadurch ihre Beziehung zu Frank verändert hat. Sie ist sich unsicher, ob die Beziehung stabil bleibt, wenn das Kind dann da ist. Das macht mich sehr betroffen, da ich weiß, was es bedeutet alleinerziehend zu sein und wünsche ihr von Herzen, dass sie das so nicht erleben muss. Am Nachmittag fuhr ich nach Dresden, um mir die Gartenmesse anzusehen, auf die ich nun schon eine kleine Ewigkeit gespannt war, was mir danach noch einen Spaziergang an der Elbe ermöglichte. Auf der Rückfahrt im Zug telefonierte ich mit Friederike, was jedoch äußerst emotional verlief und mich zu Tränen veranlasste.“
Hier kann natürlich alles rein, was Dich bewegt und auf welche Weise Dich die Dinge berühren, die in Dir und um Dich herum geschehen. Nichts muss ungeschrieben bleiben.
Hier darfst Du krakeln, schmieren, kritzeln, schreien, Wut ablassen, aber auch weinen, traurig sein und Verzweiflung niederschreiben. Vergiss niemals, dass Papier geduldig ist und Dir zuhört, egal, wie lange Du brauchst, egal, was Du schreibst und wie viele Tränen es Dich kostet. Papier geht auch damit um und trocknet sie. Und manche mit Tinte beschriebene Seite hat erst ihren letzten Schliff durch ein paar vergossene Tränen bekommen und zeugen noch Jahrzehnte später von der tiefen Emotionalität beim Schreiben, die dann auch beim Lesen nochmals berühren kann. Also raus mit dem, was in Dir ist und Ausdruck sucht.
Das ist nun wahrscheinlich eher die Schnittstelle zu dem, was heute Journal genannt wird und kann auch noch gezielter verfolgt werden, um auch herauszubekommen, was hinter den einzelnen Zweifeln, Gedanken, Sorgen, Ängsten und Gefühlen steckt, die tagsüber so in allen von uns auftreten.
4. Das Arbeitsjournal
Wie der Name es bereits sagt, ist das Arbeitsjournal dafür da, um Arbeitsabläufe präsent zu halten, zu organisieren, zu strukturieren und vielleicht auch eine gewisse Chronik des Verlaufs zu skizzieren, um diese hinterher nachvollziehen zu können.
In meinem Beruf kann ich wohl sagen, dass auch mein „Lehrerkalender“ eine Art Arbeitsjournal darstellt, auch wenn ich keinen vorgedruckten und extra für den Lehrerberuf konzipierten Lehrerkalender verwende. Ich besorge mir ein Blanko-Buch von Moleskine oder Leuchtturm und führe es dennoch – über ein Schuljahr hinweg – ähnlich einem Kalender, nur das dieser eben für mich und meine eigenen Bedürfnisse im beruflichen Kontext von mir individuell angepasst ist, weil mir die üblichen käuflichen Lehrerkalender nicht ausreichend Platz bieten und, in meinen Augen, auch keine schöne, praktikable Einteilung haben.
Aber dieses Buch begleitet mich durch das Schuljahr, ich plane darin grob meinen Unterricht, verzeichne meine Stundenpläne und welche Materialen ich zu welchem Zeitpunkt brauche. Meine Aufzeichnungen geben mir die Möglichkeit auch später noch einmal nachzuschlagen, wann ich welches Thema, in welcher Intensität und in welcher Klasse unterrichtet habe. So vermeide ich Wiederholungen, die so nicht geplant waren.
5. Ein Tagebuch für jeden speziellen Fall
Wenn man sich etwas vornimmt, bei dem es darum geht ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder einen bestimmten Sachverhalt genau zu beobachten, um festzustellen, wie man vorankommt und ob Erfolge zu verzeichnen sind und um diese dann für einen selbst auch sichtbar zu machen oder um Veränderungen und Abhängigkeiten und Zusammenspiel bestimmter Faktoren zu beobachten und zu vergleichen, kann man solch ein spezielles Tagebuch führen.
Beispielsweise bietet sich ein Ernährungstagebuch an, um Erfolge bei einer Ernährungsumstellung zu protokollieren oder auch beim Abnehmen. Oder auch um bei Lebensmittelunverträglichkeiten herauszufinden, welche Lebensmittel einem zusetzen, sich unverträglich auswirken und vielleicht auch mit bestimmten anderen Lebensmitteln nicht harmonieren.
Auch kann man ein Dankbarkeitstagebuch führen, um jeden Tag festzuhalten, für was man am Tag dankbar war. Das hilft dabei, sich die kleinen Dinge im Leben bewusst zu machen. Es entmaterialisiert unser Denken und Fühlen und bringt uns uns selbst wieder etwas näher.
Aber es gibt auch Sport-, Trainings- bzw. Lauftagebücher, in denen man den Trainingsfortschritt notiert, überwacht und optimiert.
Wenn ein Mensch einen schweren Verlust erlitten hat, durch eine Trennung/Scheidung oder gar durch den Tod eines geliebten Menschen, raten Therapeuten meistens zum Führen eines Trauertagebuchs. Um sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Um niederzuschreiben, was raus will, was man so aber vielleicht anderen Menschen um sich herum nicht mitteilen will oder nicht mitteilen kann, weil nicht jeder mit der Trauer anderer umgehen kann. Und auch um niederzuschreiben, was ungesagt geblieben ist und man dem geliebten, aber verlorenen Menschen nun nicht mehr sagen kann.
Menschen mit Depressionen rät man zum Aufzeichnen ihres Gemütszustandes.
Immer wieder wird geraten seine Träume zu notieren und achtsam anhand solcher Traumtagebücher zu beobachten, was uns das Unbewusste und Unterbewusstsein über unsere Träume mitteilt.
Frauen, die natürlich verhüten und über den Zyklus hinweg die Veränderungen ihres Körpers beobachten, führen Tagebücher, Regelkalender oder Tabellen, um ihren Zyklus zu beobachten, auszumachen, wann sie ihren Eisprung haben, ihre Regel einsetzt und wann die fruchtbaren als auch die unfruchtbaren Tage stattfinden. Auch das kann einen Tagebuch-ähnlichen Charakter annehmen, da diese Form der Familienplanung und Verhütung enorm viel Verantwortung der Frau bedeutet.
Es ist letztlich egal, welcher Sachverhalt vorliegt, doch gibt es manchmal Themen, die gesondert in einem Tagebuch behandelt werden müssen, weil der, der es schreibt, das Bedürfnis danach hat. Auch Reisetagebücher sind dafür ein gutes Beispiel, ebenso wie Literatur- oder Filmtagebücher.
6. Listen
Manche Menschen lieben Listen und scheinen ihr ganzes Leben in Listen verpacken zu können. To do-Listen. Pro- und Contra-Listen. Listen über Dinge, die unbedingt mal getan werden müssen. Oder auch Listen über Dinge, die ab jetzt ganz klar nicht mehr getan werden sollten. Genauso wie die sogenannten Mood Tracker (ein typisches Element aus dem Bullet Journal), also wann habe ich mich wie gefühlt.
Beispiel:
10 Dinge, die ich unbedingt in meinem Leben noch tun muss:
- Südostasien bereisen
- In Dänemark ein Softeis essen
- In Wien mit dem Riesenrad fahren
- In einem Hotel in Dubai im 72. Stockwerk übernachten
- In einem teuren Restaurant essen, in dem zig Gläser und Besteck-Arten um meinen Teller herum liegen und ich letztlich mit den Fingern esse
- Über einen zugefrorenen See laufen
- Völlig autark für ein paar Tage in der Wildnis leben
- Ein langatmiges Werk von Adorno lesen
- Einem Obdachlosen ein neues Outfit schenken
- Selbst ein Buch schreiben
Oder auch:
10 Dinge, die ich ab jetzt lasse:
- Aufhören Süßigkeiten in mich hineinzustopfen
- Keine Fertiggerichte mehr
- Nichts mehr tun, was ich nicht will
- Öfter mal „nein“ sagen
- Unterstützung annehmen
- Nicht mehr putzen als nötig
- Ab und an vor Mitternacht ins Bett gehen
- Mal wieder auf einer Wiese liegen und in den Himmel schauen
- Mehr lesen
- Noch mehr schreiben
Alles, was Du Dir vorstellen kannst. Grenzen setzt nur Du Dir selbst.
Alles ist erlaubt
Die Beispiele, die ich hier gebracht habe, sind nur ungefähr. Sie sind nun natürlich nur in meinem Stil geschrieben. Schreibe Du sie selbst und erlebe den Zauber, der sich unter Deiner eigenen schreibenden Hand entfaltet. Nur Du kannst Dich verwirklichen auf dem Papier. Nur Du allein. Gibt Deinem Tagebuch Deinen Hauch, Deinen Touch.
Ich selbst habe ich all den Jahren, in denen ich für mich selbst schreibe, vieles davon ausprobiert. Und das völlig unbewusst. Mir war nicht einmal klar, dass ich das getan hatte.
Es gab Jahre in meinem Schreibprozess, da habe ich gar nicht über ein klassisches Tagebuch verfügt. Ich nahm Kalender, weil mir das zu diesen Zeitpunkten irgendwie praktikabler erschien. In manchen Jahren hatte ich neben meinem Kalender noch ein Tagebuch, in das ich dann jeweils lediglich in wesentlich größeren Abständen schrieb, weil die täglichen kleinen Anmerkungen in meinen Kalender einflossen und mein Tagebuch nur dann Nutzen fand, wenn mich etwas emotional so sehr bewegte und beschäftigte, sodass die Kalenderseite für den jeweiligen Tag nicht ausreichte. Auch hatte mein Kalender durchaus einen persönlichen Charakter, war aber nicht ganz so intim angesiedelt, wie es mein Tagebuch war.
Nichts und niemand legt Dich auf eine Form fest. Du kannst alles ausprobieren, wonach Dir ist und worauf Du Lust hast. Lass Dich ein. Lass heraus, was aufgeschrieben werden mag und in welcher Form es seinen Ausdruck durch Dich finden möchte. Ob in Stichpunkten, im Fließtext, in Form von Zeichnungen oder eingeklebten Utensilien aus Deinem Tag, ob in Listen oder emotionalen Reflexionen. Du allein bestimmst über das Was, Wann und Wie.
Schreibe nur für Dich selbst
Und vergiss auch nicht: Du musst Dich nicht schämen für das, was Du schreibst. Deine Aufzeichnungen gehen nur Dich etwas an. Niemand liest sie. Damit hat auch niemand ein Urteil darüber. Und selbst wenn Du täglich den Stil und die Form wechselst, ist das ganz allein Dein Ding.
Und gehe offen an Dein Tagebuch und Deine Aufzeichnungen heran. Auch wenn uns die moderne Zeit immer hinter allem einen tieferen Nutzen suggerieren will und wir den insgeheim deswegen oft suchen: schreibe, um zu schreiben. Beim Tagebuch schreiben ist das Schreiben der Sinn des Schreibens. Nichts weiter.
Sollten sich Dir dennoch tiefere Einsichten ergeben, dann sei dankbar und genieße es. Dann bist Du für Dich auf dem richtigen Weg. Jedoch erwarte nichts, baue keine feste Erwartungshaltung auf, denn diese würde verhindern, dass sich die eigentliche Magie des Schreibens offenbart.
♥ Was auch immer passiert: Vertraue Dir und Deinem Schreiben. Alles hat seinen Sinn. ♥