Warum entschuldigen wir uns eigentlich ständig? Und das, obwohl wir uns keiner Schuld schuldig gemacht haben.
Das Phänomen dieser Entschuldigung ist bei uns Menschen, gerade auch hier in unserer Kultur, weit verbreitet, ja geradezu chronisch geworden.
Heute konnte ich dazu folgende Geschichte beobachten:
In einer meiner Meditationsstunden in der Schule, in der ich unterrichte, lagen wir gerade in aller Stille nach einer Tanzmeditation auf unseren Matten und spürten nach, als auf dem Gang vor unserem Raum jemand etwas einem anderen Menschen zurief. Die Situation inklusive diesem Ausspruch war so lustig, dass es eine Schülerin völlig aus der Ruhe warf und sie herzhaft zu lachen anfing. Zuerst versuchte sie es zu unterdrücken, was natürlich auch gerade deswegen überhaupt nicht funktionierte. Daraus resultierte, dass es nur so aus ihr heraussprudelte. Ihr Lachen war so ansteckend, dass innerhalb weniger Minuten die ganze Gruppe lachte.
Es war einfach schön. Und trotz dass wir gerade in der Stille-Phase waren, hatte dieses spontane Lachen etwas unglaublich Herzliches, Tiefes, Befreiendes und Entspannendes. Ich glaube, dass gerade auch dieses ehrliche, herzhafte und spontane Lachen der Meditationsstunde dann nochmal so den richtigen Kick hinsichtlich der Entspannung und dem Loslassen gegeben hat.
Als wir uns im Anschluss daran in unserem kleinen Kreis noch austauschten, entschuldigte sich die Schülerin für ihren Ausbruch, denn sie habe nicht absichtlich die Stille stören wollen.
Und da war es wieder: Während ich so gelöst und erfreut war, dass sich das so ergeben hatte und auch alle ihrem inneren Impuls dieses Lachens folgen konnten, sah die Schülerin einen Grund sich zu entschuldigen.
Immer wieder Thema
Ein paar Tage zuvor hetzte ein Mann an einer Haltestelle von einer Tram zur nächsten, rempelte mich dabei unsanft an und ich erwischte mich dabei, wie ich mich entschuldigte. Wofür? Dafür, dass ich mich gerade dort befand? Dafür, dass ich meinte, im Weg gestanden zu haben? Dafür, dass ich nicht Gedanken lesen konnte und seinen Lauf blockierte?
Ich will etwas von meinem Kollegen wissen, suche ihn in seinem Büro auf, klopfe, stecke den Kopf zur Tür rein und frage: „Entschuldige bitte, störe ich gerade?! Ich habe da mal eine Frage.“.
Im Supermarkt gehe ich mit meinem frisch aus dem Automaten gezogenen 50-Euro-Schein einkaufen, will aber nur drei Bananen, eine Gurke und zwei Flaschen Wasser erstehen. Das ist an der Kasse doch direkt mal ein Grund meinen Satz mit „Entschuldigung, ich habe es leider nicht kleiner.“ zu beginnen.
Im Bus sitze ich am Fenster, starre während der Fahrt nach draußen, weil das Fahrzeug massiv voll ist und ich niemanden mit Blicken provozieren will. Dabei überlege ich bereits seit Minuten, wie ich meinen Satz formuliere, wenn ich aussteigen will und meinen fremden Sitznachbarn bitten muss mich rauszulassen und entscheide mich auch dann wieder für „Entschuldigung, aber ich muss hier raus.“.
Immer erstmal entschuldigen, aber warum?
Es ist also anscheinend völlig egal, in welcher Position ich mich befinde, ich entschuldige mich grundsätzlich erst einmal. Wo führt das hin?
„Entschuldigung, dass ich jetzt auch noch mit in den Raum reinkomme und Luft verbrauche.“
„Sorry, ich muss kurz zur Toilette.“
„Hatschiiiii!!! Entschuldigung, dass ich krank bin und mich nicht wohl fühle.“
„Entschuldigung, dass ich am Leben teilnehme.“
Entschuldigen, aber nur richtig
Eine Entschuldigung ist richtig und wichtig. Und zwar natürlich dann, wenn man einen Fehler gemacht hat oder jemanden entweder körperlich, emotional oder verbal verletzt hat. Das kann passieren und ist in den wenigsten Fällen im ganz normalen Alltagsgeschehen ein Drama. Aber dieses Massen-Entschuldigen darf ein Ende haben. Denn damit verwischen Absichten und Ausgestaltung von Entschuldigungen. Eine Entschuldigung verkommt zu einer lapidar dahingesagten Floskel ähnlich der Small Talk-Frage „Na, wie gehts?“, und auch ernstgemeinte, wahre und wichtige Entschuldigungen werden irgendwo wüst dazwischen geschoben. Für den, der verletzt wurde, ist der Ernst hinter den Worten kaum zu erkennen und für den, der die Entschuldigung wirklich aussprechen müsste, ist es leicht sich hinter diesem locker formulierten „Sorry“ zu verstecken, ohne sich tiefergehend mit dem, was geschehen ist, auseinanderzusetzen. Er muss sich nicht „outen“ im Sinne von „Ich habe erkannt, dass ich vielleicht hätte anders handeln können und Dich verletzt habe mit meinem Tun oder Sagen.“.
Wenn wir uns ständig und für alle möglichen Kleinigkeiten entschuldigen, ist dies ein Anzeichen von mangelhaftem Selbstwertgefühl. Hier haben wir einfach nicht genug Vertrauen in uns, nicht genug vertrauen in das, was wir richtig finden. Wir stehen nicht richtig zu dem, was wir tun und sagen. Es gibt dann den Anschein, dass wir uns schon allein dafür, dass wir existieren, entschuldigen wollen. Es lässt Unsicherheit durchscheinen. Zweifel an unserem bloßen Sein. Selbst dann, wenn wir doch ganz tief in unserem Inneren eigentlich um unseren Wert wissen.
Es lässt durchscheinen, dass wir nicht sicher sind, ob auch die Anderen um uns herum unseren wahren Wert wirklich erkennen.
Wir sind wunderbar und großartig, wie wir sind
Doch ich muss ja wohl niemandem erklären, dass wir uns dafür nicht entschuldigen müssen, dass wir da sind.
NEIN. NIEMALS. MITNICHTEN.
Wir sind hier.
Wir sind einzigartig.
Wir sind ein Wunder der Natur.
Wir sind ein Teil des Universums.
Und wir stehen anderen Menschen um uns herum in nichts nach.
Und für nichts davon muss uns leid tun. Daher..
Erkenne Deinen Wert
Und höre auf Dich dauern zu entschuldigen.
Ich lade Dich in der Achtsamkeitsübung dieser Woche dazu ein aus dem Kreislauf der floskelhaften Entschuldigungen auszusteigen und damit Deinen Selbstwert und das Vertrauen in Dich selbst (wieder) zu steigern.
Nimm dazu als erstes wahr, wann Du Dich entschuldigst und ob Du wirklich einen Grund dazu hast. Baue Deine Achtsamkeit dazu auf und gehe im Hinblick darauf mit Aufmerksamkeit durch Deinen Alltag.
Beobachte, wann in Dir der Impuls entsteht, solch eine Entschuldigung hervorzubringen.
Entschuldige Dich dann ganz bewusst nicht! Formuliere Deinen Satz ohne „Sorry“ oder „Entschuldigung“.
Nimm wahr, wann Du wirklich einen Grund hast, eine Entschuldigung hervorzubringen und trage diese dann auch mit all Deiner Präsenz Deinem Gegenüber vor. Gestalte diese Entschuldigung mit ausgewählten, präzisen Worten und Gesten.
Und beobachte mal aufmerksam, was es mit Dir und Deinem Selbstwert macht, wenn Du aufhörst dich zu entschuldigen, wenn es nichts zu entschuldigen gibt, weil Du nichts getan hast, was Dir leid tun müsste.
♥ Sei Dir Deines Wertes bewusst und entschuldige Dich nicht, wenn es keinen Grund dazu gibt. ♥