In einer sächsischen Großstadt in einer extrem warmen Sommernacht im Jahr 2018:
Ich gehe zu Bett, in der Hoffnung, trotz der großen Hitze eines Sommers, über den man wohl noch lange sprechen wird, schlafen zu können. Anfangs lässt sich das ganz gut an. Nach einigem Herumwälzen finde ich eine Position, in der nicht warmes Körperteil auf warmem Körperteil liegt und mir so Einschlafen tatsächlich gelingt. Anfangs höre ich noch das elektrische Rauschen, das eine Großstadt immer begleitet, was jedoch nur nachts, wenn alle Fahrzeuge in ihren Parklücken stehen, hörbar wird und das beinahe harmonisch zum Zirpen der Grillen passt. Da hinein mischt sich das aufgebrachte Knurren und Jammern der Kater, die des nächtens ihr Revier verteidigen. Die Geräuschkulisse tritt immer weiter in den Hintergrund, die Ohren, die fast nie schlafen, leiten das, was sie empfangen, zwar noch ans Gehirn weiter, doch verknüpfen sie es dort nicht mehr mit Bildern. An deren Stelle treten neue. Innere Bilder. Träumen ziehen mich in eine Welt, die subtil, geheimnisvoll und unergründet ist und die mir selten mit Logik begegnet.
Doch plötzlich mischen sich Stimmen in die nächtlichen Traumbilder. Sie passen nicht zum Geschehen, scheinen die Handlung nicht zu begleiten, wie bei einem Film, dessen Tonspur nicht mit dem Bild übereinstimmt. Ich kämpfe mich langsam aus den Träumen und stelle schlafschwer fest, dass die Stimmen der Realität entstammen, zwischen den Häuserblöcken vor meinem Haus widerhallen und unnatürlich laut wirken in einer Nacht, in der sonst keine weiteren Geräusche zu vernehmen sind.
Zwei Menschen. Ein Mann. Eine Frau. Aufgeregt flüstern sie miteinander, und dennoch ist jedes Wort zu verstehen. Aufgebracht. Hitzig. Es schwingt Verzweiflung mit. Männliche Verzweiflung mit kleinen Fetzen der Wut. Und Traurigkeit. Seine Stimme hat einen hilflosen Ton. Sein Atem und dieses kleine schnüffende Geräusch der Nase verraten seine Tränen.
Fast jedes Fenster in der Straße ist offen oder zumindest angekippt. Ein jeder hofft, dass der Wind ein wenig auffrischt und ein paar ordentliche Böen durch die sonnenaufgeheizten Zimmer schickt. Sofort frage ich mich, ob ich die Einzige bin, die Zeugin dieser kleinen, intimen Auseinandersetzung ist.
Ich liege auf dem Rücken, nicht in der Lage, mich zu bewegen, starre mit müden Augen an die Zimmerdecke, wo die Schatten des Weinlaubs zaghaft und absolut still tanzen, das außen um mein Schlafzimmerfenster herum die Fassade ziert und dem Großstadtflair auf ein paar Metern etwas Dschungelartiges verleiht.
Ich bin mittendrin, nehme an dem Gespräch teil, ohne dabei zu sein. Ich bin beschämt und fasziniert zugleich. Es ist wie lauschen ohne zu lauschen. Ich bin Voyeurin, ohne mir diese Rolle ausgesucht zu haben. Ich bin das Mäuschen, das niemand sieht.
Auseinandersetzung hängt für Momente in der warmen Sommernacht, die seinerseits mit den Worten: „Aber du weisst doch, dass ich so nicht bin!“ ..und ihrer Frage: „Ja, wie bist Du dann?!“ ..endet.
Damit tritt Ruhe ein. Eine Haustür fällt ins Schloss. Schritte, die allein auf der Straße zurückbleiben und sich erst zögernd und unsicher, dann schneller entfernen bis sie nicht mehr zu hören sind. Das Geräusch seiner Tränen folgt ihm, bleibt aber träge und irgendwie emotional in der schweren Luft hängen, begleitet meine Gedanken in eine Nacht, die sich wieder ihrer eigenen Stille widmet.
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Ja, wie sind wir eigentlich?
Schnell neigen wir dazu, von uns selbst nur das zu sehen und zu erkennen, was wir sehen und erkennen wollen. Was wir nicht sein wollen, schreiben wir uns selbst auch nicht zu. Wer will auch schon geizig, neidisch oder rechthaberisch sein? Wer mag sich schon als unsicher oder manipulativ sehen?
Doch sind wir letztlich alles. Wie mein Sozialpsychiatrie-Professor immer so schön zu sagen pflegte: Wir alle tragen alles in uns. Wir alle tragen alle Facetten des menschlichen Seins in uns. Natürlich ist es bei uns allen unterschiedlich ausgeprägt. Jede Facette hat ihre eigene Gewichtung und diese „Zusammensetzung“ unterscheidet sich zwischen uns. Aber wir wären naiv zu glauben, dass wir bestimmte Wesenszüge nicht in uns trügen, nur weil sie nicht in das Bild passen, das wir von uns selbst gern haben wollen.
Erst recht sollten wir aufhorchen, wenn Menschen uns kritisieren, die uns eigentlich nahe stehen und es auch wirklich gut mit uns meinen. Sie sehen uns von außen, sie können quasi aus weiterer Entfernung und aus einem weiteren Blickwinkel heraus auf uns schauen, als wir es selbst so können. Sie erkennen oft besser, was uns umtreibt als wir uns das vor uns selbst eingestehen wollen.
Gefühle beobachten und wahrnehmen
Daher soll es diese Woche darum gehen zu beobachten, was alles in uns steckt. Mit offenem Fühlen durch diese Woche zu gehen und unser Wesen zu ergründen. Welche Gefühle wohnen in uns?
Sei offen und nimm auch die Emotionen wahr, die verdeckt ablaufen. Die, die wir schnell mit irgendeiner Handlung oder auch Worten übertünchen. Gefühle, die wir kaum zuzulassen bereit sind.
Akzeptiere, was Du beobachtest
Was auch immer Dir begegnet: Beobachte es nur. Nimm es als Teil von Dir an. Sei Dir bewusst darüber, dass das alles zu Dir gehört.
Und wenn Du negative oder für Dich unangenehme Gefühle wahrnimmst, beobachte auch mal, ob Dein Verstand mit Selbstverurteilung und Beschimpfung oder Herabwürdigung Deiner Person reagiert.
Solltest Du solche Sachen an Dir bemerken, versuche nicht, es zu unterbinden. Das würde Dir nicht gelingen und nur neues Unbehagen heraufbeschwören. Lass da sein, was da sein will. Lass da sein, was aufkommt und beobachte nur. Lass den Verstand toben, wenn er das für sich braucht, sei Dir währenddessen aber gewiss, dass das alles zum Menschsein dazugehört. Wir alle tragen all diese Facetten in uns. Wir ALLE!
Du bist keine Ausnahme. Du bist kein schlechterer Mensch als andere. Und auch kein besserer. Du kannst nur achtsamer werden und Bewusstheit darüber gelangen, was in Dir vorgeht, was alles in Dir steckt und zu Deinem Wesen dazu gehört, wie Dein Verstand damit umgeht und dass eben alles genauso gut ist wie es ist.
Du brauchst nichts verändern an Dir, nur achtsam und bewusst sein.
♥ Ich wünsche Dir schöne Erkenntnisse im Erkennen Deiner Selbst. ♥