Berührungen, Körperkontakt und Nähe. Das sind neben Geborgenheit und Sicherheit unsere emotionalen Grundbedürfnisse im Leben. Wir brauchen sie vom ersten Atemzug an, bis zum letzten unserer Atemzüge. Doch unterschätzen wir noch immer, was der körperliche Kontakt – auch außerhalb sexueller Zuwendung – für uns bedeutet.
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Wir Menschen sind „Traglinge“ in den ersten Monaten unseres Lebens. Der Umstand, dass ein menschliches Baby fast sein gesamtes erstes Lebensjahr hinweg getragen werden muss, sichert ihm jedoch gleichzeitig auch den Körperkontakt zu Bezugspersonen, auch außerhalb der Stillzeiten. Die körperliche Nähe und Berührung trägt intensiv zum Bindungsaufbau bei. Und auch wenn in diesem Bezug die ersten zwei Lebensjahre eines Menschen ausschlaggebend sind, so bleibt die Wichtigkeit von Nähe und Berührung doch für uns erhalten. Nicht berührt zu werden kommt einem Verdursten gleich.
Dabei übersehen wir im Alltag oft, dass es viele Berührungen gibt, die wir jedoch oft unbewusst vollziehen, mit dem Kopf bei etwas anderem sind und diesen doch so wertvollen Kontakt wie automatisiert gestalten. Zwischen zwei Tätigkeiten wird dieser dann irgendwie absolviert als hätte man einen unwichtigen Notizzettel an die Pinnwand gespickt.
Das ist schade, denn schließlich begegnen sich zwei Menschen.
Also wenn wir uns schon begegnen und dabei nicht nur voreinander stehen bleiben, sondern uns die Zeit und Gelegenheit nehmen für eine Umarmung, dann sollte es doch wenigstens eine mit Bedeutung sein. Nämlich eine Umarmung mit Achtsamkeit und Bewusstsein. Eine Umarmung, die wir wach und aufmerksam erleben.
Gesundheitlicher Nutzen von Umarmungen ist belegt
„Wir brauchen vier Umarmungen pro Tag, um zu überleben. Wir brauchen acht Umarmungen pro Tag für den Fortbestand. Und wir brauchen 12 Umarmungen pro Tag für das Wachstum.“
(Virginia Satir)
Umarmen ist so simpel, so einfach. Wir alle brauchen sie und dazu kann es auch noch zu unserem Wohlbefinden und damit zu unserer Gesundheit beitragen.
Nachweislich wirken innige und aufrichtige Umarmungen dem Stresshormon Cortisol entgegen und auch Depressionen können diese Berührungen vorbeugen.
„Wenn wir uns umarmen, verbinden sich unsere Herzen und wir wissen, dass wir keine getrennten Wesen sind. Umarmen mit Achtsamkeit und Konzentration kann Versöhnung, Heilung, Verständnis und viel Glück bringen.“
(Thich Nhat Hanh)
Also lasst uns uns endlich wieder mehr umarmen, vor allem aber mit Achtsamkeit und Bedacht.
Sei achtsam und berührbar
Daher lade ich Dich diese Woche dazu ein darauf zu achten, wie, in welcher Form und wie oft Dir denn in Deinem Alltag Berührungen begegnen. Schüttelst Du die Hände anderer Menschen, berührst Du in Gesprächen den Arm Deines Gegenübers? Oder legst Du auch schon mal Deine Hand auf Schulter oder Oberschenkel? Und wie oft begegnen Dir Umarmungen?
Nimm auf einer ersten Ebene wahr, wie Du in Deinem Leben mit Berührungen umgehst. Welche Berührungen gibt es beruflich? Auf welche Berührungen stößt Du im Privatleben? Nimm wahr, wie sich diese beiden Bereiche voneinander unterscheiden.
In einem zweiten Schritt beobachtest Du vor allem die körperliche Nähe zu den Menschen, die Du privat kennst und die Dir nahe stehen. Gehe achtsam in den jeweiligen Kontakt hinein. Nimm wahr, was der Kontakt mit Dir macht.
Und in einem dritten Schritt lade ich Dich ein liebevoll und behutsam mit entstehenden Berührungen und Umarmungen umzugehen. Sei ganz präsent im Hier und Jetzt, aktiviere Deine Sinne und nimm alles wahr, was mit dieser Umarmung zu tun hat, auch wenn diese nur wenige Sekunden anhält. Sei wach und fühle. Spüre, was die Nähe mit Dir macht. Nimm den energetischen Austausch zwischen Euch Beiden wahr.
Und, wenn Du bereit dazu bist und es die Situation als auch die Person zulässt, versuche Deine Umarmungen etwas länger zu gestalten. Das kann auch nur einen Wimpernschlag länger sein als zuvor.
Ich weiß, dass wir das nicht bei jedem so gestalten können und es geht bei der Übung auch nicht darum, die ganze Menschheit zu umarmen. Doch möchte ich Dich dazu ermutigen mit wachsamer Offenheit und einem Sein im Hier und Jetzt in solch eine kostbare Berührung hineinzugehen und sie intensiv wahrzunehmen.
Intensive Begegnungen
Wenn Du Menschen triffst, zu denen Du eine enge und aufrichtige Beziehung pflegst, die auch längere und intensivere Umarmungen erlaubt, genieße diese. Sei in der Umarmung ganz bei Dir. Verschmelze mit dem Anderen, werde eins mit dem Gegenüber. Werde zu der Umarmung selbst. Nimm wahr, was dieser intensive körperliche Kontakt mit Dir macht – ganz gleich, ob dabei sexuelle Anziehung eine Rolle spielt oder es eine rein platonische Beziehung ist. Verlagere Deinen Fokus in all Deine Sinne. Was macht solch eine Umarmung mit Dir – mein Deinen Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen?
Tipp: Dehne die Übung gern auf zwei oder drei Wochen aus
Da diese Übung intensiv ist und viel Achtsamkeit erfordert, darfst Du Dir für sie gerne zwei Wochen Zeit dafür nehmen. Beobachte dafür in der ersten Woche ausschließlich, welche Berührungen Dir im Alltag begegnen und baue in der zweiten Woche Deine Achtsamkeit in den Umarmungen als solche aus. Begegne dem anderen Menschen und damit auch automatisch Dir selbst ganz intensiv.
♥ Auf wundervolle, intensive Umarmungen. ♥